Der Käufer hat im Falle eines beidseitigen Handelsgeschäfts nach § 377 HGB das erworbene Fahrzeug unverzüglich nach der Übergabe zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, diesen dem Verkäufer unverzüglich mitzuteilen. Unterlässt er die Mitteilung eines erkennbaren Mangels, gilt die Ware als genehmigt. Zeigt sich ein zunächst nicht erkennbarer Mangel später, muss die Mängelanzeige unverzüglich nach der Entdeckung erfolgen; anderenfalls gilt die Ware auch hinsichtlich dieses Mangels als genehmigt, d.h. sie ist trotz des ihr anhaftenden Sachmangels als vertragsgerecht anzusehen. Damit verliert der Käufer seine diesbezüglichen Gewährleistungsrechte. Allerdings kann der Verkäufer jederzeit und auch stillschweigend auf den Einwand der Verspätung einer Mängelrüge verzichten. Dies ist nach ständiger BGH-Rechtsprechung insbesondere dann der Fall, wenn der Verkäufer das beanstandete Fahrzeug vorbehaltlos zurückgenommen, vorbehaltlos Nachbesserung versprochen oder den Einwand der verspäteten Mängelanzeige nicht erhoben hat. In seinem Urteil hat sich der BGH (Az: Az. VIII ZR 383/20) nunmehr mit der Frage befasst, welche Anforderungen an das Angebot einer vorbehaltlosen Nachbesserung zu stellen sind, um daraus einen stillschweigenden Verzicht des Verkäufers auf den Verspätungseinwand der Mängelrüge ableiten zu können.
Sachverhalt
Gegenstand des Rechtsstreits war ein vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeug, das eine Unternehmerin für ihren Betrieb von einem VW-Händler erworben hatte. Das Fahrzeug wurde ihr im April 2015 übergeben. Ende September 2015 wurde die Öffentlichkeit aufgrund umfangreicher Presseberichterstattung davon in Kenntnis gesetzt, dass Fahrzeuge, die mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet sind, eine unzulässige Abschalteinrichtung aufweisen. Mit Schreiben vom 14. Oktober 2016 wurde die Käuferin von der VW AG darüber informiert, dass ein Software-Update bereitstehe, um den Mangel zu beseitigen, und die Käuferin einen Termin bei einem ihrer Servicepartner vereinbaren solle, um das Update aufspielen zu lassen. Mit Schreiben vom 15. November 2016 erklärte die Käuferin gegenüber ihrem Verkäufer die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung sowie hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte unter Fristsetzung dessen Rückabwicklung. Nachdem die Käuferin im April 2017 Klage gegen den Verkäufer erhoben hatte, wurde sie mit Schreiben vom 10. August 2017 vom Verkäufer darüber unterrichtet, dass das Software-Update zur Verfügung stehe und die Käuferin mit der Reparaturannahme des Verkäufers einen Termin zum Ausspielen des Updates vereinbaren könne.
Entscheidung des BGH
Der BGH entschied, dass das Berufungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen war, dass der Käuferin das Recht zustand, vom Kaufvertrag zurückzutreten und hob das Urteil des KG Berlin auf, da die Käuferin die Mängelrüge verspätet erhoben hatte. Das führte dazu, dass der in der unzulässigen Abschalteinrichtung liegende Mangel als genehmigt galt. Damit war ein wirksamer Rücktritt vom Kaufvertrag ausgeschlossen, zumal der Verkäufer nicht – auch nicht stillschweigend – auf den Einwand der Verspätung der Mängelrüge verzichtet hatte. Ein verdeckter Mangel muss unverzüglich nach seiner Entdeckung angezeigt werden (innerhalb weniger Tage). Die Frist begann mit der Pressemitteilung oder spätestens mit dem Zugang des Informationsschreibens der VW AG vom 14. Oktober 2016 zu laufen.
Der Verkäufer hatte auch nicht stillschweigend auf die Erhebung des Verspätungseinwands verzichtet. Da ein stillschweigender Verzicht auf Rechte im Allgemeinen nicht einfach vermutet werden kann, müssen eindeutige Anhaltspunkte vorliegen, die der Käufer als Aufgabe des Rechts – hier: des Verspätungseinwands – durch den Vertragspartner verstehen darf. Solche eindeutigen Anhaltspunkte lassen sich nicht dem Schreiben des Verkäufers vom 10. August 2017 entnehmen, da es sich dabei um ein allgemeines Informationsschreiben handelte. Auch der Umstand, dass der Verkäufer den Verspätungseinwand nicht bereits in diesem (vorgerichtlichen) Schreiben geltend gemacht hatte, kann nicht als stillschweigender Verzicht gedeutet werden.
(932-16/Julia Cabanis)