Erst vor kurzem hat sich der Zentralverband des Tankstellengewerbes (ZTG) in einem noch nicht veröffentlichten Interview gegenüber einer Fachzeitschrift geäußert, dass bei Unternehmen mit Tankstellennetzen Mittelständler und integrierte Mineralölkonzerne sich u.a. dadurch unterscheiden, dass es bei ersteren hauptsächlich darum geht, wie man Tankstellen betreibt, bei letzteren jedoch auch immer, ob man sie in einem Markt noch weiter betreibt. Zuletzt sah man dies in Deutschland an den Beispielen Esso und OMV. Ab heute wird die Liste durch TotalEnergies ergänzt. Relativ zeitgleich mit der Veröffentlichung der entsprechenden Pressemitteilung zum Verkauf des deutschen und niederländischen Tankstellengeschäfts von TotalEnergies an den kanadischen Convenience-Konzern Couche-Tard erhielt der ZTG dankenswerterweise eine Mail von Christian Howe, Direktor Tankstellen der TotalEnergies Marketing Deutschland GmbH, aus der wir zur Vermeidung von Missverständnissen nicht zitieren, sondern sie nachstehend in voller Länge wiedergeben:
Sehr geehrter Herr Ziegner,
Ich möchte Sie heute darüber persönlich informieren, dass TotalEnergies und Alimentation Couche-Tard (Couche-Tard) eine Vereinbarung für die Tankstellennetze in Deutschland, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg unterzeichnet haben.
Diese Vereinbarung bedeutet für Deutschland, dass TotalEnergies hier sein gesamtes Tankstellennetz und Kartengeschäft an Couche-Tard veräußern wird.
Dabei ist es wichtig zu betonen, dass die Versorgung mit Kraftstoffen der Tankstellen weiterhin durch TotalEnergies gewährleistet wird und auch die Marke TotalEnergies weiterhin an den Tankstellen in Deutschland durch Couche-Tard verwendet werden kann. Auch die Karten werden weiterhin an den deutschen Tankstellen akzeptiert.
TotalEnergies wird sich zukünftig auf die Entwicklung des Handels- und Verbrauchergeschäftes sowie der Spezialitäten (Bitumen, Schmierstoffe…) konzentrieren, zwei Direktionen die unverändert bleiben.
TotalEnergies wird auch weiterhin im Besitz seiner Raffinerie in Leuna bleiben und einen aktiven Beitrag zur Versorgung des deutschen Marktes leisten.
Mit Couche-Tard hat TotalEnergies einen Spezialisten auf dem Gebiet der Convenience Stores gefunden. Das Unternehmen wurde 1980 gegründet und ist einer der weltweit führenden Anbieter von Convenience Stores mit Tankstellenaktivität. Couche-Tard betreibt bereits heute über 14.000 Tankstellen weltweit und verfügt somit auch über umfassendes Knowhow in dem sich verändernden Tankstellen-Geschäft.
TotalEnergies ist daher davon überzeugt, mit Couche-Tard einen Partner gefunden zu haben, mit dem das Tankstellengeschäft noch besser und schneller entwickelt und noch effektiver an die zukünftigen Herausforderungen und Kundenerwartungen angepasst werden kann. Die bereits eingeschlagene Strategie wird durch diese Vereinbarung noch verstärkt und beschleunigt. Auch im Bereich Tankkarten ist Couche-Tard führend. Unser Tankkarten-Angebot kann somit weiterentwickelt und für die Herausforderungen der Zukunft noch stärker gemacht werden.
Die geplante Transaktion unterliegt den üblichen Bedingungen, vor allem der Konsultation der Arbeitnehmervertretung und der Genehmigung der zuständigen Kartellbehörden. Ziel von TotalEnergies und Couche-Tard ist es, die Transaktion vor Ende 2023 abzuschließen.
In der Pressemitteilung finden Sie weitere Details dieser Vereinbarung.Wir freuen uns auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit mit Ihnen und stehen Ihnen für Fragen gerne über die Ihnen bekannten Personen und Kanäle zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Howe
Direktor Tankstellen TotalEnergies Marketing Deutschland GmbH
Wir empfehlen sehr, die von Herrn Howe angesprochene Pressemitteilung ebenfalls zu lesen. Aus ihr lässt sich erahnen, was TotalEnergies zu diesem Schritt bewogen haben dürfte. Sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland ist TotalEnergies im Tankstellenbereich kein Marktführer und glaubt offenbar nicht, in diesen Märkten dauerhaft ein Tankstellennetz wirtschaftlich interessant betreiben zu können. Mit dem geplanten Verkauf erhält sich der Konzern jedoch dieses Tankstellennetz als Absatzkanal für die entsprechenden Mineralölprodukte seiner Raffinerien in Antwerpen und Leuna, zumindest für die nächsten fünf Jahre. Ebenfalls interessant ist, dass TotalEnergies in Deutschland die Ladestationen außerhalb der Tankstellen behalten wird, ebenso den Wasserstoffvertrieb, den Großhandel mit Kraftstoffen und das AS24-Tankstellennetz für Lkw.
Was lässt sich daraus ableiten? Zunächst, dass TotalEnergies, anders als mancher Wettbewerber, nicht an eine wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft von Ladestationen an Tankstellen glaubt. Zweitens, dass der Konzern sich in Deutschland und den Niederlanden von den Aktivitäten trennt, die Einzelhandelscharakter haben. Es sind eben nicht nur die sinkenden Kraftstoffabsätze, die Tankstellen das Leben schwer machen, sondern auch und vor allem die stark gestiegenen Personalkosten. Automatenstationen wie im AS24-Tankstellennetz sind davon nicht betroffen.
Zum Erwerber Couche-Tard noch folgende Anmerkungen: Der Konzern ist im Tankstellenbereich vor allem bekannt durch seine Marke Circle K, die er 2003 von ConocoPhillips erwarb, und unter der inzwischen weltweit ca. 15.000 Tankstellen betrieben werden, davon ca. 2.700 in Europa, dort nach mehreren Akquisitionen vor allem in Skandinavien und in Irland. Neben Circle K nutzt der Konzern noch einige andere Marken, bspw. in Teilen der USA die dort früher zu Exxon Mobil gehörende Marke „On the run.“
Viele der Fragen, die Herr Howe in seiner Mail ebenfalls anspricht, werden sich erst in der nächsten Zeit stellen, u.a. auch, wie sich die europäischen und deutschen Kartellbehörden zu dem geplanten Verkauf äußern. Eines ist schon jetzt sicher: Dies ist nicht das letzte Rundschreiben zu diesem Thema. Und: Spätestens ab heute sollten Mitglieder, die Total-Tankstellen betreiben und noch nicht die über unseren Verband angebotene Vertragsrechtsschutzversicherung bei der DEURAG abgeschlossen haben, darüber nachdenken, letzteres zu ändern.
(TS 100/Julia Cabanis)