Traditionell veröffentlicht der Energie Informationsdienst (EID) zeitversetzt die von ihm erhobenen Tankstellenzahlen zum Stichtag 1. Januar. In der aktuellen Besprechung findet sich folgendes Zitat: „Insgesamt besteht aber kein Grund zur Panik. Der deutsche Tankstellenmarkt zeigt sich weiterhin stabil und robust. Die halbjährlich vom EID ermittelte Anzahl der Straßentankstellen schwankt marginal um bundesweit rund 14.100 Stationen.“ Wenn das die Definition von Stabilität ist, muss man dem EID zustimmen. Zwar haben sich in den einzelnen Netzen durchaus Änderungen ergeben, doch bedeuten 14.093 Straßentankstellen tatsächlich netto lediglich sieben Stationen weniger als vor zwei Jahren und genau so viele wie am 30.6.2019.
Zu dieser Stabilität trugen im letzten Jahr zumindest für die meisten Gesellschaften auch die sehr hohen Kraftstoffmargen bei. Seit Dezember 2022 sinken diese allerdings wieder auf Werte, die wir vor dem Ukraine-Krieg kannten und inzwischen auch darunter. Im weiteren Text zeigt sich dann auch an manchen Stellen, dass den Autoren sehr wohl bewusst ist, welche Probleme die Branche beschäftigen und dass die Stabilität der Tankstellenanzahl keineswegs gesichert ist. Die steigende Inflation als Nachfragedämpfer im Shop- und Waschgeschäft wird ebenso angesprochen wie das Personalproblem der Betreiber, das bereits zu verkürzten Öffnungszeiten geführt habe. Auch die Möglichkeit, „dass die Kraftstoffversorgung von der Branche perspektivisch auf automatisierte Stationen verlagert wird, um auf die sich ändernden Rahmenbedingungen zu reagieren,“ wird angesprochen – „Damit einhergehend wäre ein Rückgang der klassischen Straßentankstellen.“
Die aktuell wichtigste Problemkombination von stark gestiegenen Personal- und Energiekosten, welche die Wirtschaftlichkeit des bisherigen Modells Tankstelle bedroht, wird hingegen von den Autoren und den von ihnen befragten Vertretern der Tankstellengesellschaften nicht angesprochen. Stattdessen liest man viel über die Bemühungen der großen Gesellschaften, klimaneutral zu werden und die Lademöglichkeiten für die Elektromobilität auszubauen. Dass letzteres nicht zwingend gleichbedeutend mit Investitionen in das Tankstellennetz ist, hat TotalEnergies ganz aktuell gezeigt.
Nach diesen Vorbemerkungen zu den Zahlen des EID:
Beim vom EID ermittelten Tankstellenbestand zum 1.1.2023 mit 14.453 (14.093 Straßen- und 360 Autobahnstationen) Tankstellen in Deutschland muss man wie jedes Jahr berücksichtigen, dass hinter der Zahl im Laufe des Jahres viel Bewegung stand. Mittelständler übernehmen kleinere Stationen von den großen Gesellschaften, die dafür, meist an anderer Stelle, durch Neubauten ersetzt werden, während an wiederum anderen Stellen Stationen endgültig geschlossen werden. Die Zahl der Automatenstationen, die allerdings an keiner Stelle separat erfasst wird, wächst weiter.
Zu den einzelnen Netzen:
– BP hat unter der Aral-Marke mit 2.266 Straßentankstellen weiterhin das größte Netz, netto 19 Stationen weniger als zu Jahresbeginn 2022. Die Umstellung der Pachtstationen auf das Agenturgeschäft im Shop ist so gut wie abgeschlossen. Zu den Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der Aral-Partner in diesem COSI-System werden wir uns in Kürze an anderer Stelle äußern. Nach einer zitierten Aussage des Aral-Vorstandsvorsitzenden Achim Bothe betreibe Aral inzwischen 1.300 Ladepunkte. Allerdings ist damit nicht gesagt, dass sich alle diese Ladepunkte auch an Aral-Tankstellen befinden.
– Die Zahl der Shell-Tankstellen (einschließlich der unter bft-Zeichen betriebenen Rheinland-Kraftstoff-Stationen) liegt mit 1.947 um vier unter dem Vorjahreswert. Zur Zahl der an Shell-Stationen installierten Ladepunkte enthält der EID-Bericht keine Aussagen. Inzwischen gibt es an 34 Shell-Standorten LNG.
– TotalEnergies hat mit 1.157 Tankstellen gegenüber dem Vorjahr eine Station mehr in ihrem Netz als vor Jahresfrist. Wenn die Pläne der Firma und des Convenience-Konzerns Couche-Tard sich nicht noch zerschlagen sollten, gibt es zum nächsten Jahreswechsel zwar noch das TotalEnergies-Zeichen an den Attikas der Stationen, aber einen neuen Eigentümer.
– Unter das Esso-Netz zählt der EID am 1.1.2023 933 Tankstellen, netto 29 weniger als vor einem Jahr. Dies erklärt sich vor dem Hintergrund, dass dem Netz im Jahr 2021 zwar 80 umgeflaggte Minera-Stationen zugeflossen waren, andererseits aber 22 Stationen aufgrund der Kartellamtsauflagen beim Erwerb der OMV-Stationen durch EG an die Avia abgegeben werden mussten. Zudem hat das Esso-Netz wiederum einige Stationseigentümer verloren, die ihren Vertrag mit der EG-Group bzw. deren deutscher Tochter Echo Tankstellen GmbH nicht verlängerten. Die Erwartung, dass die Zahl der Esso-Stationen in 2022 durch eine Umflaggung der verbliebenen deutschen OMV-Tankstellen auf Esso kräftig steigen könnte, hat sich bis heute nicht erfüllt. Weiterhin ist unklar, unter welchem Markenzeichen diese Stationen künftig betrieben werden.
– JET betreibt 815 Tankstellen, netto vier weniger als vor einem Jahr. In die Zahl gehen wie in den Vorjahren auch die zur Firma gehörenden, aber nicht mit dem JET-Logo gekennzeichneten, weißen Stationen ein.
– Zu den übrigen Marken: Die größte zahlenmäßige Veränderung gab es im Netz der Avia-Partner. 897 Straßentankstellen sind 66 mehr als vor einem Jahr. Allein 46 davon sind frühere Esso- und OMV-Tankstellen, die EG abgeben musste.
Wenig Veränderung gab es im Jahr 2022 an der Autobahn. Die Gesamtzahl der BATs stieg um eine auf 360. Bei den Einlieferern gab es ebenfalls kaum Änderungen. Wie immer weisen wir darauf hin, dass die Verteilung der Einlieferungsrechte nicht deckungsgleich ist mit der Verteilung der Markenfarben an den Stationen. Die Unterschiede resultieren aus Weiterverpachtungen und Plakettenverträgen.
Weiter rückläufig ist die Zahl der Autogasstationen, auch wenn sich der regelrechte Einbruch des Jahres 2021 nicht wiederholte. Ihre Zahl liegt nach der EID-Recherche jetzt bei 5.898. Vor einem Jahr waren es noch 6.028.
Die Zahl der Erdgastankstellen sank nochmals um neun auf nur noch 780, während das Netz der LNG-Stationen, also für verflüssigtes Erdgas als alternativer Lkw-Antrieb, trotz der Preisproblematik im Jahr 2022 weiter wuchs. Allein die vom EID unter „eine Auswahl“ genannten Stationen summieren sich auf 142, nach 103 im Vorjahr.
Auch die Zahl der Tankstellen mit AdBlue-Säulen ist weiter gewachsen. Allerdings möchten wir die vom EID genannten Zahlen weiterhin mit etwas Vorsicht genießen. Zum einen bietet die entsprechende Tabelle nur „eine Auswahl“, zum anderen enthält sie mit Sicherheit auch Doppelzählungen. Manche AdBlue-Säule ist eben sowohl für Pkw wie für Lkw geeignet.
Für weitere Details beachten Sie bitte die Tabellen, welche auf www.kfz-bw.de/monatsdienst heruntergeladen werden können.
(TS 055/Julia Cabanis)