Am 20. April führte der Zentralverband des Tankstellengewerbes (ZTG) in Bochum ein Gespräch mit Vertretern der Aral AG. Gesprächspartner von Seiten der Aral waren Achim Bothe, Marc Borggräfe, Michael Frischbier und Oliver Krawinkel, für den ZTG nahmen Markus Pillok, Jannis Verfürth, Ernst Vollmer und Jürgen Ziegner teil. Der ZTG hatte um dieses Gespräch gebeten, weil sich die finanzielle Situation vieler Aral-Pächter im COSI-System in diesem Jahr noch weiter verschlechtert hat.
Herr Bothe bat zunächst darum, die Situation aus ZTG-Sicht nochmals darzustellen (vgl. Monatsdienst vom Februar 2023). Dies konnte relativ kurz gefasst werden, da sowohl der Aral wie auch dem ZTG das Schreiben betroffener Aral-Pächter aus dem Hamburger Distrikt vorlag, in welchem die derzeitigen Probleme sehr ausführlich dargestellt worden sind. Im Wesentlichen konzentrierte sich der ZTG auf diese Problempunkte:
– Die Planung der Personalkostenhöhe war bereits im letzten Jahr nicht ausreichend, da die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro ab 01.10.2022 und die damit einhergehende Erhöhung des gesamten Lohnniveaus nicht eingeplant war. In vielen Fällen kam ein erhöhter Krankenstand hinzu, wie übrigens in der gesamten deutschen Wirtschaft – der Krankenstand der Berufstätigen in Deutschland erreichte 2022 den höchsten Wert seit 25 Jahren.
– Die gegenüber dem Niveau von 2022 für 2023 geplanten Erhöhungen der Personalkosten sind nicht ausreichend, auch vor dem Hintergrund, dass die zusätzlichen Kosten aufgrund hoher Fluktuation unter den Mitarbeitern in der Tankstellenbranche offensichtlich nicht berücksichtigt werden (Bereits Entlassene und noch Einzuarbeitende müssen gleichzeitig bezahlt werden.). Zugleich ist im COSI-System Arbeitsaufwand hinzugekommen, der nicht geplant war und den es unter COFO nicht gab, bspw. der Umfang der Inventuren und die Probleme mit dem ESO-System.
– Gleichzeitig sind die Pächter nicht in der Lage, die höheren tatsächlichen Kosten mit höheren Erlösen zu kompensieren. Im Grunde sind sie völlig darauf angewiesen, dass Aral den Kraftstoffzuschuss angemessen kalkuliert und im Bedarfsfall schnell und ausreichend BKH zahlt, denn bei einer durchschnittlichen Shop-Provision zwischen 6,0 und 7,0 Prozent können Mehrkosten nicht durch Umsatzzuwächse ausgeglichen werden, vor allem dann, wenn wie zur Zeit das Waschgeschäft eher schlecht läuft.
– In der Vergangenheit haben die Pächter darauf vertraut, dass Aral ihre Einkommen durch BKH stützte, wenn sich ohne eigene Schuld die sogenannte Gewinnopportunität (GOP) nicht einstellte. Diese BKH wurden für 2022 erst sehr spät und dann auch nur in solcher Höhe gezahlt, dass die betroffenen Pächter auf ca. drei Viertel ihrer GOP kamen, mit der Folge weiterer Liquiditätsprobleme.
– Weiterhin wies der ZTG anhand von anonymisierten Beispielen auf die spezielle Lage junger Pächter hin, die bereits kurz nach Beendigung ihres Future-Hero-Programms mehrere Tankstellen führen müssen und in einigen Fällen von erfahrenen Angestellten, die sie von Vorgängern übernehmen mussten, betrogen wurden. Mehrere dieser Pächter stehen nach Eindruck des ZTG vor dem Burnout.
Herr Frischbier bestätigte im Grunde die Wahrnehmung des ZTG in Bezug auf die Personalkostenplanung für 2022 und ebenso die Tatsache, dass die BKH nicht in der gewohnten Höhe gezahlt worden sind. Es habe schlicht an Geld gefehlt. Bereits im letzten Gespräch mit dem ZTG habe er erläutert, dass Aral mit der Ertragsseite 2022 insgesamt nicht zufrieden gewesen sei. Dies sei aber nicht „COSI-immanent“ gewesen. Der Umsatz im Shop habe auch unter Versorgungsproblemen gelitten.
Die jetzige finanzielle Lage solle aber keine neue Normalität sein oder werden. In diesem Jahr laufe es bisher gut. Durch die zurückgegangenen Kraftstoffpreise seien die KS-Absätze an Aral-Tankstellen wieder gestiegen und seien über Plan, ebenso wie die Shop-Umsätze. Lediglich das Waschgeschäft sei unter Plan.
Die Einhaltung der Personalkosten sei in diesem Jahr besonders wichtig, um einen angemessenen Gewinn zu erzielen. Überschreitungen gingen zu Lasten der Partner. Allerdings arbeite Aral daran, die Mehrarbeiten durch Inventuren durch neue Strukturen abzubauen.
Auf die Frage des ZTG (die sich auch viele Partner stellen), wo denn die GOP einer Station liege, antwortete er, der Plangewinn entspreche der GOP.
Herr Bothe begrüßte zunächst die offene Diskussion. Er wolle diese Art der Kommunikation und sei sein Amt sicher nicht mit dem Anspruch angetreten; „COSI zur zerlegen.“ Das System sei notwendig, um den anstehenden Veränderungen in der Tankstellenbranche zu begegnen. Die Branche werde sich in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts stärker und schneller verändern als je zuvor. Der Druck werde auch politisch zunehmen und Mengenverluste würden nicht durch höhere Kraftstoffmargen kompensiert werden können.
Um darauf vorbereitet zu sein, habe Aral in den vergangenen drei Jahren so viel Geld in das Netz investiert, sowohl in den Um- und Ausbau der Shops wie auch in den Aufbau der Schnellladestruktur. Dies alles sicher nicht, so Herr Bothe, weil man „mit den Partnern über Kreuz liegen will.“
Dies hatte der ZTG allerdings auch nicht angenommen, bestand allerdings darauf, dass Aral in einem System, in dem der Pächter fast keine eigenen Möglichkeiten mehr hat, seine Erlöse zum Abfedern von Kostensteigerungen zu erhöhen, ihrer Fürsorgepflicht stärker nachkommt als bisher. Dass die Kraftstoffzuschüsse auch im zweiten Quartal für drei Monate im Voraus gezahlt wurden, hilft zwar kurzfristig bei der Liquidität, ist aber in vielen Fällen nur eine zwischenzeitliche Maßnahme, damit die Partner die Gehälter ihrer Angestellten bezahlen können und keine Lösung für das zugrunde liegende Problem. Herr Bothe erläuterte, dass bereits die Freigabe der Mittel für diese Vorauszahlungen in einem börsennotierten Unternehmen wie BP, das Quartalsberichte abgeben müsse, nur unter großen Anstrengungen gelungen sei.
Er versicherte, dass Aral insbesondere, aber natürlich nicht nur, die jungen Pächter unterstützen wolle. Das Future-Hero-Programm sei ein Erfolg. Herr Frischbier bot an, dass wir Einzelfälle, von denen wir meinen, sie müssten schnellstens bearbeitet werden, an ihn persönlich herantragen könnten. Dies gelte auch für Fälle, in denen ein Partner das Vertragsverhältnis beenden wolle.
Allgemein hatte der ZTG nach dem Gespräch den Eindruck, dass die Vertreter der Aral und des ZTG die Probleme in der Tankstellenbranche allgemein und im Aral-Netz im Speziellen gar nicht so unterschiedlich bewerten. Herrn Bothes Aussage bspw., dass weiter steigende Personalkosten, insbesondere eine schlagartige Erhöhung des Mindestlohns auf 14 Euro, das Tankstellensterben beschleunigen werden, lässt sich nur schwer widersprechen. Auch sein Bestreben, dass die Aral-Pächter wieder in die Lage kommen müssen, Betriebskapital aufzubauen, kann der ZTG nur unterstützen. Die Frage bleibt, wie dies in einem System möglich sein soll, in dem sie von zusätzlichen Zahlungen der Aral abhängig sind, die diese derzeit offenbar nicht leisten kann oder will, weil die Ertragslage es offensichtlich nicht hergibt. Die Hoffnung auf besseres Wetter und damit erhöhte Waschumsätze reicht sicher nicht. Der ZTG hält weiterhin nennenswerte Konditionsverbesserungen für notwendig.
Zum Schluss noch ein besonderer Punkt: Ein Thema in der Diskussion waren auch zwei aktuelle Fälle, in denen Aral-Pächtern der Vertrag außerordentlich gekündigt worden ist. Insbesondere die Art und Weise, in der man in einem Fall dem betroffenen Pächter die Stationen entzogen hat, hat sich im Aral-Netz herumgesprochen und für einen großen Vertrauensverlust gesorgt. Ohne näher auf Details eingehen zu können: In beiden Fällen wurden die Kündigungen auch damit begründet, die Partner hätten Agenturgeld nicht an die Aral weitergereicht, zumindest in einem Fall wohl auch, um mit dem Agenturgeld ihr Personal bezahlen zu können. Von mehreren Mitgliedern hat der ZTG inzwischen gehört, dass die Bezahlung von Personal mit Agenturgeld wohl nicht so ungewöhnlich („es wussten alle“) und sogar in Schulungen empfohlen worden sei, nach dem Motto: „Wenn Ihr Euer Personal sonst nicht bezahlen könnt, nehmt das Geld aus der Kasse.“ Letzteres wurde von Herrn Borggräfe als Mitglied der Rechtsabteilung der Aral jedoch sofort ausdrücklich bestritten.
Dennoch wären wir sehr interessiert an Rückmeldungen von Mitgliedern, falls diese ähnliche Aussagen gehört haben sollten. Auf jeden Fall an dieser Stelle der Hinweis: Die Nicht-Weiterleitung von Agenturgeldern ist grundsätzlich ein Grund, dass der Tankstellenvertrag außerordentlich und fristlos gekündigt werden kann und sollte daher auf jeden Fall vermieden werden! Stattdessen sollten Mitglieder in einer derart finanziell angespannten Situation unseren Verband ansprechen, damit der ZTG ihren Fall, wie von Herrn Frischbier angeboten, bei der Aral vortragen kann.
(TS 100/Carsten Beuß)