In einem aktuellen Urteil hat das das Bundesarbeitsgericht (BAG, Az.: 5 AZR 359/21) zur Frage, welche Auswirkungen das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Arbeitszeiterfassung (Rechtssache: CCOO, Az.: C-55/18) auf einen Überstundenprozess hat, sinngemäß folgendes entschieden:
Das Urteil des EuGH in der Rechtsache CCOO zur Arbeitszeiterfassung hat keine Aussagekraft für die Darlegungs- und Beweislast nach deutschem Arbeitsrecht im Überstundenprozess.
Der EuGH hatte in der Rechtsache CCOO entschieden, dass es Aufgabe der Mitgliedstaaten ist, die Arbeitgeber zu verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann. Nur auf diese Weise könnten die EU-Arbeitszeitrichtlinie und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union ihre volle Schutzwirkung entfalten. Seit diesem EuGH-Urteil war jedoch umstritten, ob sich aufgrund dieser Entscheidung die Darlegungs- und Beweislast im Prozess verschiebt, wenn der Arbeitgeber über kein entsprechendes Zeiterfassungssystem verfügt. Während das Arbeitsgericht Emden geschlussfolgert hatte, dass sich das Fehlen einer Zeiterfassung negativ auf die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers auswirkt, wurde dieses Urteil vom Landesarbeitsgericht Niedersachsen (LArbG) korrigiert und Auswirkungen des EuGH-Urteils auf die Darlegungs- und Beweislast im deutschen Arbeitsrecht verneint. Dieses Urteil des LArbG Niedersachsen wurde nun vom BAG bestätigt.
Fazit:
Die Rechtsauffassung des BAG ist zu begrüßen, dass es auch vor dem Hintergrund der EuGH-Entscheidung zur Arbeitszeiterfassung nicht vom Erfordernis der Darlegung der arbeitgeberseitigen Veranlassung und der Zurechnung von Überstunden durch den Arbeitnehmer abrückt.
Die Entscheidung des BAG ist vielmehr sehr konsequent und es sorgt für die in diesem Zusammenhang notwendige Rechtsklarheit. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass sich die europäische Arbeitszeitrichtlinie mit Fragen des Arbeitsschutzes befasst, nicht hingegen mit der Vergütung von Mehrarbeit. Darüber hinaus ist die Vergütung von Arbeitszeit nach den Regelungen des EU-Vertrages und der EU-Arbeitszeitrichtlinie ausschließlich in das Ermessen der Mitgliedstaaten gelegt. Die Frage, ob und wie die sogenannte CCOO-Entscheidung des EuGH in das Arbeitszeitrecht umzusetzen ist, darf mit dieser vergütungsrechtlichen Fragestellung nicht verquickt werden.
Bislang liegt zwar nur die BAG-Pressemitteilung vor. Sofern aus den ausführlichen Entscheidungsgründen aber noch weitere wichtige Hinweise ergeben sollten, werden wir darüber informieren.