Im Ringen um die künftige Nutzung der Antriebstechnologien, die eine klimafreundliche Mobilität in Europa ermöglichen, durchlebte das Kfz-Gewerbe im Juni durch mehrere Entscheidungen auf europäischer Ebene ein Wellenbad der Gefühle. Besonders das Thema E-Fuels bewegt die Gemüter und eröffnete Spielraum für Diskussionen.
Doch der Reihe nach: Über das Votum des EU-Parlaments vom 8. Juni 2022, dass synthetische Kraftstoffe nicht auf die neuen CO2-Flottengrenzwerte angerechnet werden dürfen, zeigte sich das Kraftfahrzeuggewerbe enttäuscht. Diese Entscheidung führe faktisch zu einem Verbrennerverbot ab 2035. ZDK-Präsident Jürgen Karpinski bemängelte, dass dadurch nicht alle Trümpfe bei der CO2-Reduktion gezogen würden und somit vorhandene Technologien ungenutzt blieben. Zudem beeinträchtige dies ebenfalls die Zukunft der individuellen Mobilität, da, so der ZDK, für viele Menschen die E-Mobilität aus unterschiedlichen Gründen keine Alternative bilde.
Bei der Beurteilung der Entscheidung des EU-Parlaments muss jedoch weiter differenziert werden. Das Aus für Verbrennerfahrzeuge ab 2035 in der EU bezieht sich anhand dieser Entscheidung faktisch nur auf Neufahrzeuge. Dieser Entschluss hat somit in dieser Form keine Folgen für den Betrieb von Bestandsfahrzeugen. Denn es ist kein Verbrennerverbot für alle Fahrzeuge beschlossen worden. „Wenn das EU-Parlament und die EU-Kommission sich gegen die Anrechnung von E-Fuels-Quoten und damit leider gegen mehr Klimaschutz im Verkehr entscheiden, ist das bedauerlich, hat zumindest formal aber keine Auswirkungen auf die Treibstoffversorgung der Bestandsfahrzeuge“, bringt ebenfalls Verbandspräsident Michael Ziegler die Konsequenzen einer Abstimmung im Europa-Parlament am 8. Juni auf den Punkt: „Bei der Entscheidung geht es ausschließlich um die neuen CO2-Flottengrenzwerte für neue Pkw und die Frage, ob der Einsatz synthetischer Kraftstoffe positiv auf den Flottenverbrauch von Neuwagen angerechnet werden kann.“
Die Treibstoffversorgung beispielsweise der rund 6,7 Millionen Pkw, die in Baden-Württemberg aktuell inklusive der Hybridfahrzeuge Benzin oder Diesel tankten, sei auch künftig sichergestellt. Dies gelte ebenso für die Versorgung gewerblicher Fahrzeuge: „An den Tankstellen entscheidet die Kundennachfrage über das Angebot. Dort sind auch synthetische Kraftstoffe zu erwarten, falls deren Produktionskosten ein wettbewerbsfähiges Angebot beim Literpreis erwarten lassen.“
Problematisch ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass die Entscheidung des EU-Parlamentsmangels Perspektive für den Neuwagenbereich die Investitionen in E-Fuels hemmen dürfte. Dies hätte im schlechtesten Fall zur Folge, dass solche klimaneutralen Kraftstoffe für die Bestandsflotte künftig nicht in ausreichender Menge oder zu wettbewerbsfähigen Preisen in Reinform oder für Beimischungen zur Verfügung stehen. „Eine chancenreiche Technologie wird aus ideologischen Gründen abgewürgt, das ist klimapolitischer Wahnsinn“, verdeutlicht Hauptgeschäftsführer Carsten Beuß. Was die EU-Kommission zusammen mit dem Parlament gerade zu verspielen drohe, sei die Chance, dem Ziel der Klimaneutralität schneller näherzukommen: „Das ist nicht zu verstehen, aber auch nicht zu ändern, wenn die Mehrheit der Parlamentarier nicht will.“ Dass solche Entscheidungen zu Lasten des Klimaschutzes ausgerechnet von politischen Kräften getrieben seien, die sich dem Umweltschutz verschrieben haben, sei dabei eine bemerkenswerte Randnotiz.
Unser Verband befürchtet zudem, dass die Politik – wenn sich herausstellt, dass die Klimaziele mit der alleinigen Fokussierung auf E-Neuwagen nicht erreichen lassen (was alle Berechnungen zeigen) – in dem Sinne „nachsteuert“, dass es Beschränkungen für die Nutzung von Verbrennern in der Bestandsflotte geben wird, und zwar bis hin zur Verhängung von Fahrverboten – und das, nachdem die Politik E-Fuel selbst verhindert hätte. Nunmehr gibt es auf dieser Basis einen Beschluss der EU-Umweltminister zu emissionsfreien Neuwagen ab 2035 vom 28. Juni, der eine Hintertür offenlässt. Mit diesem liegt nun zwar eine Art gemeinsame Absichtserklärung zu E-Fuels vor, diese ist allerdings aufgrund offener Umsetzungsfragen momentan zu vage, um eine klare Perspektive zu setzen. Dennoch wertet Jürgen Karpinski das Votum des EU-Umweltministergremiums als kluge Entscheidung und damit als brauchbaren Zwischenschritt, dass die Möglichkeit geschaffen werden kann, neue Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren auch ab 2035 zuzulassen, wenn sie mit klimaneutral hergestellten synthetischen Kraftstoffen betrieben werden. „Wir setzen uns seit einem Jahrzehnt für synthetische Kraftstoffe ein und haben immer wieder auch gegenüber der Politik auf die technologieoffene Gestaltung der individuellen Mobilität der Zukunft gedrängt“, so der ZDK-Präsident. Die Entscheidung der Umweltministerinnen und -minister halte diesen Weg offen. Es liegt nun an der EU-Kommission, möglicherweise doch noch sinnvolle Ausnahmen für klimaneutrale Kraftstoffe zu erarbeiten. (034-06/Alexander Gurski)