Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat für Autohäuser, die Fahrzeuge ins europäische Ausland verkaufen, eine wichtige Information für die Umsatzsteuerfreiheit der Fahrzeuglieferung veröffentlicht. Im aktuellen BMF-Schreiben vom 20. Mai 2022 hat das Ministerium nun festgestellt, dass die Umsatzsteuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung auch nach den seit Anfang 2020 geltenden neuen Vorschriften nicht davon abhängt, dass bei jeder innergemeinschaftlichen Lieferung erforderliche ZM fristgerecht eingereicht oder berichtigt wurde.
1. Bislang recht strenge Anforderungen an die Steuerbefreiung
Die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist seit den umsatzsteuerlichen Neuregelungen der Quick Fixes zum 1. Januar 2020 davon abhängig, dass der Unternehmer seiner gesetzlichen Pflicht zur Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung (ZM; Definition: Eine an das Bundeszentralamt für Steuern zu übermittelnde (i.d.R. monatliche) Übersicht der ins EU-Ausland verkauften Waren und Dienstleistungen) nachkommt. Diese muss nach § 4 Nr. 1 b, 2 Hs. Umsatzsteuergesetz (UstG) im Hinblick auf die jeweilige Lieferung richtig und vollständig sein. Bislang berechtigte nach Auffassung des BMF nur eine fristgerecht eingereichte oder berichtigte ZM zur Inanspruchnahme der Umsatzsteuerbefreiung. Fehlkontierungen, Buchungsfehler und Fehler bei Erstellung der ZM (z.B. Aufzeichnung der falschen USt-IdNr. oder Bemessungsgrundlage) hätten bei konsequenter Anwendung dieser bisherigen BMF-Auffassung zum Verlust der europarechtlich eigentlich zwingend vorgesehenen Umsatzsteuerbefreiung geführt.
2. BMF hält die strengen Anforderungen an die Frist nicht aufrecht
Auf diese von Anfang an in der Kritik stehende strenge Auslegung der Finanzverwaltung hat das BMF nun mit dem BMF-Schreiben vom 20. Mai 2020 reagiert und den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) folgendermaßen für den Fahrzeuglieferer positiv geändert (Auszüge):
„Gibt der Unternehmer die ZM für den betreffenden Meldezeitraum nicht richtig, vollständig oder fristgerecht nicht, unrichtig oder unvollständig ab, erfüllt er die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht. … Wird eine nicht fristgerecht abgegebene ZM erstmalig für den betreffenden Meldezeitraum richtig und vollständig abgegeben, liegen in diesem Zeitpunkt erstmals die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung vor und diese ist bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen zu gewähren. Die erstmalige Abgabe einer ZM und die Berichtigung einer fehlerhaften ZM durch den Unternehmer innerhalb der Festsetzungsfrist entfalten für Zwecke der Steuerbefreiung Rückwirkung. Die rückwirkende Gewährung der Steuerbefreiung im Veranlagungsverfahren schließt ein Bußgeldverfahren des BZSt nach § 26a Abs. 2 Nr. 5 UStG nicht aus.“
3. Folgen für die Umsatzsteuerfreiheit einer Fahrzeuglieferung
Wird eine nicht fristgerecht abgegebene oder unrichtige ZM erstmalig für den betreffenden Meldezeitraum richtig und vollständig abgegeben, liegen zwar erst in diesem Zeitpunkt erstmals die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Umsatzsteuerfreiheit vor – mit der Folge, dass diese Steuerbefreiung bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen zu gewähren ist. Allerdings erkennt das BMF nun erfreulicherweise an, dass die erstmalige Abgabe einer ZM durch den Unternehmer innerhalb der Festsetzungsfrist auch eine Rückwirkung hinsichtlich der Steuerbefreiung entfaltet. Allerdings gilt es zu beachten, dass die rückwirkende Gewährung der Steuerbefreiung im Veranlagungsverfahren ein Bußgeldverfahren des BZSt nach § 26a Abs. 2 Nr. 5 UStG nicht ausschließt.
4. Fazit
Solange bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung die Abgabe der ZM fehlt, ist die Umsatzsteuerbefreiung für diese Lieferung zunächst zu versagen. Denn es liegen dann noch nicht alle materiell-rechtlichen Voraussetzungen für deren Umsatzsteuerfreiheit vor. Sobald aber eine vollständige und richtige ZM abgegeben wurde, liegen zwar erst die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung im Zeitpunkt der verspäteten Abgabe erstmals vor. Trotzdem ist diese Steuerbefreiung künftig rückwirkend auf den Zeitpunkt der Fahrzeuglieferung zu gewähren.
Berichtigt der Unternehmer die fehlerhafte ursprüngliche ZM nicht im Meldezeitraum der Fahrzeugauslieferung wird die Steuerbefreiung für die betreffende Lieferung zwar immer noch zu Recht nachträglich versagt werden. Auch die Berichtigung dieser fehlerhaften ZM innerhalb der Festsetzungsfrist entfaltet erfreulicherweise zukünftig hinsichtlich der Steuerbefreiung Rückwirkung.
Aufgrund dieser vorteilhaften Rückwirkung einer erstmaligen Abgabe oder Berichtigung der ZM wird die Finanzverwaltung wohl auch keine Möglichkeit einer Vollverzinsung (§ 233a Abgabenordnung [AO]) haben. Dies steht so zwar nicht im BMF-Schreiben, ist aber die logische Folge der Rückwirkung. Dabei ist das BMF-Schreiben rückwirkend auf alle seit Inkrafttreten der Neuregelung zum 1. Januar 2020 erfolgten innergemeinschaftlichen Lieferungen anzuwenden.
Trotz dem beruhigenden Gefühl, die Steuerbefreiung durch ein Fristversäumnis bzw. eine falsche ZM nicht zu verlieren, sollten zur Vermeidung eines Bußgeldverfahrens auch weiterhin alle Fristen unbedingt eingehalten werden.
(341-00/Julia Cabanis)