Aus Mitgliederkreisen erhalten wir immer wieder Meldungen zu Unterschlagungen durch Mitarbeiter. Leider kann man den Menschen nur vor die Stirn schauen. Der uns jüngst geschilderte Vorfall wäre aber zu vermeiden gewesen. Beim betroffenen Mitglied, wie die meisten Kollegen in Personalnöten, stellte sich ein junger Mann vor. Er sei gerade erst von der benachbarten Großstadt in die Gemeinde gezogen, da seine Partnerin hier einen neuen Job angenommen habe. Zum Anmelden beim Gemeindebüro sei er noch gar nicht gekommen, weshalb er auch noch keinen neuen Ausweis habe, der alte sei abgelaufen. Das hole er in Kürze nach; einen Termin bei der Gemeindeverwaltung bekomme er wegen der Urlaubszeit aber erst in zwei Wochen. Auf das Arbeitszeugnis der letzten Stelle warte er auch noch, das komme jedoch bestimmt in Kürze an.
Der Kandidat schien eine Idealbesetzung zu sein: Freundlich im Umgang, nach eigener Aussage seit mehreren Jahren bereits an einer Tankstelle der gleichen Farbe beschäftigt, darum mit Kassensystem, Warenwirtschaft und den Abläufen vertraut. Dazu noch bereit, Nachtschichten zu fahren und auch seinen Probearbeitstag mit einer Nachtschicht zu beginnen.
Natürlich wurde er an seinem ersten Arbeitstag nicht alleine gelassen. Eine routinierte Kollegin wies ihn ein. Da er aber alles schon beherrschte, widmete sich die bewährte Kraft bald den vielen Dingen, die immer liegen bleiben und auch erledigt werden müssen. Der junge Mann, gute Laune verbreitend, versah seinen Dienst. Gegen 05:00 h am Morgen sprach er die Kollegin an; er müsse gerade mal an sein Auto, sein Nasenspray holen. Das Auto habe er extra nicht auf der Station geparkt, er kenne sich ja noch nicht aus und wollte vermeiden, dass es vielleicht im Wege steht. Wie aufmerksam von ihm. Als er dann nicht wiederkam, wurde die Angestellte stutzig. Und siehe da: Der Kassensturz zum Schichtwechsel ergab eine Kassendifferenz von rd. 1.500 Euro! Die von der Pächterin umgehend gecheckten Videoaufzeichnungen der Nacht zeigten den jungen Mann, wie er sich mehrmals zum Tresor unter dem Tresen beugte. Es sah aus, als ob er abgeschöpftes Geld einlegen würde, aber da waren auch Handbewegungen, die auf Anderes schließen ließen. Jedoch hatte er sich immer so geschickt hingestellt, dass keine eindeutige Aufnahme einer möglichen strafbaren Handlung vorlag. Zudem war die Kamera bei kurz zuvor erfolgten Wartungsarbeiten wohl nicht wieder korrekt ausgerichtet worden.
Nun, der junge Mann bleibt verschwunden. Ob die Polizei ihn jemals aufspüren kann und die Indizienkette belastbar sein wird – fraglich. Beim vorherigen Arbeitgeber hat er nicht sechs Jahre, sondern nur ein paar Tage gearbeitet und ist dann unter Hinterlassen einer größeren Kassendifferenz ebenfalls verschwunden. Und die Lebenspartnerin, die angeblich die neue Leiterin der örtlichen kik-Filiale war, kannte dort niemand. Wir schildern das Vorkommnis so ausführlich, weil wir von solchen und ähnlichen Erlebnissen immer wieder erfahren. Meist wird die Einstellung (und oft auch mangelnde Kontrolle) der Täter mit der akuten Personalnot begründet.
Ja, diese Not besteht tatsächlich und ist für viele Betreiber bereits eine existenzielle Bedrohung. Trotzdem ist, gerade bei Neueinstellungen, ein Mindestmaß an Absicherung möglich und nötig. Lassen Sie sich den Personalausweis geben. Stimmt dann die dort angegebene Anschrift mit der auf dem Personalfragebogen nicht überein, kommt es gerne zu Ausreden wie „Ich bin neu in der Stadt und habe noch keinen Termin im Bürgerbüro bekommen“. Hier sollte man stutzig werden und sich bspw. einen Ausdruck der Terminreservierung zeigen lassen.
Besonders wichtig ist bei allen Mitarbeitern, die mit Geld zu tun haben, die Vorlage eines aktuellen polizeilichen Führungszeugnisses. Solange dieses nicht beigebracht wurde, sollten Sie niemanden kassieren lassen. Überprüfen Sie zudem regelmäßig die Video-Aufzeichnungen des Kassenbereiches. Dabei erlebt man oft böse Überraschungen. Auch die Ausrichtung der Kameras auf Kasse und/oder Tresor sollte täglich gecheckt werden. Selbst Probearbeitstage werden immer wieder für Diebstahl und Unterschlagung genutzt. Die Probanden sollten also niemals unbeaufsichtigt bleiben. Denn: Gelegenheit macht Diebe! Und das Unterschlagen der Tageseinnahmen ist auch viel entspannter als der bewaffnete Überfall auf eine Tankstelle. Vielleicht ist deshalb die Entwicklung der Überfallstatistik so positiv.
(TS 40/Julia Cabanis)