Das Ausstellungsstück, das auf der jüngsten Tankstellenmesse in Essen wahrscheinlich auf das größte Publikumsinteresse stieß, war ein kleiner Smart Store, also eine Verkaufseinheit, die völlig ohne Verkaufspersonal auskommt. Das nicht nur in der Tankstellenbranche immer größer werdende Problem des Personalmangels lässt derartige Verkaufsformen immer interessanter erscheinen. In der Schweiz und in Österreich gibt es bereits mehrere dieser Läden, die teilweise völlig autonom (ohne jedes Verkaufspersonal), teils hybrid (Self-Scan-Kassen und Personal) betrieben werden.
In Deutschland, hier speziell in Baden-Württemberg, ist vor allem das Franchise „Tante-M“ mit inzwischen 44 Filialen bekannt geworden. Für Tankstellenbetreiber ein nicht uninteressantes Detail: Derzeit sind die autonomen Tante-M-Läden an allen sieben Wochentagen geöffnet. Eine „Allianz für den freien Sonntag“ in Baden-Württemberg, die sich aus den Kirchen und kirchlichen Verbänden sowie Gewerkschaften wie ver.di und dem Deutschen Gewerkschafts-bund (DGB) zusammensetzt, hat nun die Schließung der Läden an Sonn- und Feiertagen gefordert. Interessanterweise sprechen sich aktuell Grüne und CDU dagegen aus. Die Läden seien „ein Pluspunkt für die Lebensqualität im ländlichen Raum“ und kämen „am Sonntag ohne Personal aus“. Beides sind Argumente, die wir seit Jahren auch in Baden-Württemberg – bisher vergeblich – bemühen, wenn wir uns für die Zulässigkeit der maschinellen Autowäsche auch an Sonn- und Feiertagen einsetzen.
Sicher ist jedenfalls, dass auch die großen Lebensmittelketten bereits an ähnlichen Konzepten arbeiten, angesichts des weiter sinkenden Arbeitskräfteangebots, steigenden Kosten und auch der gestiegenen Kundenerwartungen in Bezug auf lange Öffnungszeiten eine logische Entwicklung. Gegen eine weite Verbreitung sprechen allerdings derzeit noch die hohen Investitionen, die sich mit den vergleichsweise kleinen Sortimenten und den geringeren Umsätzen pro Einkauf nicht amortisieren. Aktuell hat bspw. Valora in der Schweiz die Einstellung des Be-triebs ihrer autonomen „Avec Boxen“ mit der Erklärung eingestellt, das autonome Konzept könne nicht langfristig rentabel betrieben werden. Dies muss allerdings nicht so bleiben: Die notwendigen Technologien (Kameras, Gewichtssensoren, Künstliche Intelligenz, bspw. für Altersverifikation) werden tendenziell immer günstiger.
Experten sehen das größte Potential für Smart Stores in Verbindung mit bereits bestehenden Shop-Konzepten, die auf diese Weise ihre Öffnungszeiten halten oder verlängern können. In den „personalfreien“ Stunden wird dann lediglich ein verringertes Sortiment in einem abgetrennten Bereich angeboten.
Wer sich tiefer in das Thema einlesen möchte, das künftig weiter an Bedeutung gewinnen wird: Auf den diesjährigen „Retail Innovation Days“ der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW Heilbronn) am 11. und 12. Juli waren Smart Stores das Thema. Verschiedene Anbieter stellten dort Beispiele aus der Praxis vor. Auf der Internetseite der DHBW jetzt die Präsentationen zu den Vorträgen eingestellt: https://handel-dhbw.de/rid-smartstores/#352-352-top-p1