Nach Monaten des internen Ringens haben Grüne und CDU in Baden-Württemberg vor den Sommerferien ein ganzes Bündel von Gesetzen verhandelt und in vielen Punkten eine Einigung erzielt. Ein Kernpunkt der jetzigen Einigung ist dabei der Entwurf eines neuen Landesmobilitätsgesetzes (LMG). Das Projekt war inhaltlich zwischen Grünen und CDU höchst umstritten, grundsätzlich aber bereits im Koalitionsvertrag vereinbart worden. Das Landesmobilitätsgesetz soll den Kommunen zusätzliche Instrumente für stärkeren Klimaschutz und mehr Bus und Bahn bringen. Zentrale Elemente sind beispielsweise eine digitale Parkraumüberwachung und ein Mobilitätspass.
Unser Verband hatte die Pläne politisch mit beiden Regierungsfraktionen im Landtag und dem Verkehrsministerium bereits im gesamten Verlauf der aktuellen Legislaturperiode begleitet und sich dabei gegen viele Punkte eingesetzt, die die individuelle Mobilität und das Autofahren massiv eingeschränkt hätten. Aktuell beteiligen wir uns zudem am Anhörungsverfahren, das am 31. Juli begonnen hat.
Zwischenfazit zum jetzigen Entwurf:
1. Zu vielen der insbesondere von Grünen und Verkehrsministerium gewünschten Inhalte, die teils im Landeskonzept Mobilität und Klima des Verkehrsministeriums abgebildet sind, hatten wir im Frühjahr in mehreren Gesprächen mit Entscheidungsträgern aus den Fraktionen unsere Ablehnung deutlich gemacht.
2. Die CDU hat im Vergleich zu den ersten Entwürfen nun erreicht, dass
➢ das Gesetz von 60 auf 23 Seiten abgespeckt wurde und damit deutlich weniger belastende Regelungen und Bürokratie enthält, v.a.
➢ der Instrumentenkasten der Maßnahmen gegen das Autofahren aus dem Landeskonzept Mobilität und Klima im Gesetzentwurf nicht mehr enthalten ist – und somit beispielsweise auch keine Verpflichtung der Kommunen, Parkflächen zu reduzieren und zu verteuern usw. Wenn dies auch nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens so bliebe, wäre das ein großer Erfolg!
➢ der Mobilitätspass zwar kommt, aber
o nur als freiwilliges Instrument für die Kommunen – die Einführung ist also nicht verpflichtend, jede Gemeinde kann selbst entscheiden.
o seine Einführung – und das ist wichtig – an die Bedingung geknüpft ist, dass die Gemeinde zunächst für ein „ausreichendes“ ÖPNV-Angebot sorgt (z.B. 30-Minuten-Takt) und nicht schon vorab eingeführt werden kann, bevor ein ausreichendes ÖPNV-Angebot zur Verfügung steht. An dieser Bedingung könnte die Einführung gerade im ländlichen Raum möglicherweise scheitern.
o bei Einführung nicht von Arbeitgebern bezahlt werden muss, sondern „nur“ von allen Einwohnern einer Gemeinde oder den Fahrzeughaltern (insbesondere letzter Punkt ist allerdings strikt abzulehnen!).
Wir haben insbesondere diesen Punkt bereits in der vergangenen Woche kritisiert:
„Wir finden die Idee einer Nahverkehrsabgabe nicht gut, auch wenn sie Mobilitätspass genannt wird, wenn die Autobesitzenden als Zahlmeister herhalten sollen“, fasst Michael Ziegler, Präsident des Kraftfahrzeuggewerbes Baden-Württemberg, die Position des Kraftfahrzeuggewerbes zu dem in der Kabinettssitzung beschlossenen Projekt des Landes zusammen: „Die Menschen sind auf Mobilität angewiesen und befinden sich gleichzeitig bereits in einer Preisspirale, die dieses wesentliche Grundrecht zu verteuern und für manche unbezahlbar zu machen droht.“
Das Kraftfahrzeuggewerbe rät den Kommunen dazu, vor allem auf die Idee zu verzichten, dass per kommunalem Entscheid Kosten auf alle umgelegt werden können, die ein Auto besitzen. Das würde zu „brutalen Zerreißproben in den Gemeinderäten führen, die sich kein Mensch wünschen kann“, sagt Michael Ziegler. Und selbst wenn ein Einwohnenden-Euro eingeführt würde, der alle Einwohnenden träfe und sich schnell auf „einen Hunderter und mehr läppere“, seien die negativen Auswirkungen absehbar, selbst dann, wenn es dafür Fahrschein-Guthaben gäbe: „Wir wollen weniger Bürokratie, nicht mehr, die der Verwaltungsaufwand unweigerlich mit sich brächte.“ Michael Ziegler: „Ich meine, der kommunale Verzicht auf die Nahverkehrsabgabe wäre die klügste Lösung.“
Verkehrsminister Winfried Hermann sagte dagegen anlässlich des Beginns des Anhörungsverfahrens am 31. Juli 2024: „Wir brauchen weiterhin eine schnelle Mobilitäts- und Antriebswende, um Klimaschutzvorreiter zu bleiben und die Klimaschutzziele des Landes einzuhalten. Das Landesmobilitätsgesetz (LMG) setzt Leitlinien für nachhaltige, klimafreundliche, leistungsfähige und verlässliche Mobilität.“
Verbände und Öffentlichkeit haben jetzt rund zwei Monate Zeit, um ihre Rückmeldung zum Gesetzentwurf einzubringen. Im Herbst soll das Gesetz nach Berücksichtigung der Ergebnisse der Anhörung erneut im Ministerrat behandelt und dann in den Landtag eingebracht werden.