Der Automobilmarkt erlebt im Jahr 2022 dramatische Zeiten. Bis Ende Juli wurden nur 1,4 Mio. Pkw neu zugelassen, und der Gebrauchtwagenmarkt kommt im gleichen Zeitraum nur auf 3,3 Mio. Besitzumschreibungen. Beide Märkte tiefrot mit zweistelligen Rückgängen. Die Lage im Handel ist daher auf die Verwaltung des Mangels beschränkt, und sie bleibt angespannt. Lieferengpässe sind weiterhin ein Thema, die große Nachfrage seitens der Kunden kann nicht bedient werden, und das derzeit hohe Preisniveau auf dem Gebrauchtwagenmarkt lässt manche Kunden abwarten. Perspektivisch sehen also die Händler wenig Licht am Horizont. Bei der aktuellen Befragung für das DAT-Barometer bestätigte sich dies: Gut die Hälfte sieht die Geschäftsaussichten des zweiten Halbjahrs 2022 leicht bis deutlich rückläufig, 40 Prozent auf dem jetzigen Niveau verharrend. Die schwierige Beschaffungssituation zieht sich dabei wie ein roter Faden durch den Neu- und Gebrauchtwagenhandel. Fast alle Händler stimmen der Aussage zu, dass es schwierig ist, passende Fahrzeuge beim Hersteller zu erwerben. Gleichzeitig bestätigen die Befragten, dass kaum junge Gebrauchtwagen in ausreichender Menge verfügbar wären. Infolgedessen kauft der Handel vermehrt auch ältere Pkw ein, bedient sich bei Fremdmarken oder hält auch im Ausland die Augen nach passenden Pkw offen. Die Standtage spiegeln die Situation ebenfalls wider: Benziner verharren 87 Tage, bis sie verkauft werden, Diesel aktuell 84 Tage. Immerhin: Der Anteil der Fahrzeuge, die länger als 90 Tage stehen, liegt derzeit bei 18 Prozent, vor zwei Jahren waren es 38 Prozent. Standtage bleiben allerdings ein Kostenfaktor: Pro Tag und Pkw fallen beim Handel 25 Euro an.
Einschätzung der Geschäftsaussichten verhalten bis pessimistisch
Für das DAT-Barometer im August wurden die Pkw-Händler in Deutschland gefragt, wie sie die Geschäftsaussichten für das zweite Halbjahr 2022 einschätzen. Nur zehn Prozent der Befragten gehen von besseren Geschäften aus, 40 Prozent erwarten ein gleichbleibendes Niveau, und fast die Hälfte (48 Prozent) rechnet mit rückläufigen Geschäften. Damit sind im Vergleich zum Vorjahr die Einschätzungen um ein Vielfaches schlechter. Der Krieg und die massive Lieferproblematik spielen hierbei sicherlich die wichtigste Rolle. Damals, Mitte 2021, schätzte die Mehrheit (51 Prozent) die Geschäftsaussichten für die zweiten sechs Monate sogar etwas besser ein, 29 Prozent auf gleichbleibendem Niveau, und 18 Prozent erwarten schlechtere Geschäfte.
Zu wenig Neu- und Gebrauchtwagen für den Handel
Die verhaltenen Einschätzungen zu den Geschäftsaussichten fußen vor allem auf den schlechten Lieferbedingungen und den damit fehlenden Erlösen. 92 Prozent der Händler stimmen der Aussage zu, dass die Beschaffungssituation von Neu- oder Werksdienstwagen beim Hersteller schwierig ist. Vor einem Jahr bestätigten das 77 Prozent, Ende 2020 nur 58 Prozent. Ebenfalls stimmten in der aktuellen Barometer-Befragung 92 Prozent der Händler der Aussage zu, dass auch junge Gebrauchtwagen knapp bzw. nicht in ausreichender Zahl verfügbar seien. Vor einem Jahr teilten diese Meinung 65 Prozent der Händler, Ende 2020 gerade einmal die Hälfte.
Über Zukauf Bedarf decken
In der aktuellen Situation, die durch Lieferengpässe, große Nachfrage seitens der Kunden und hohes Preisniveau gekennzeichnet ist, müssen sich die Händler etwas einfallen lassen. So gaben gut 42 Prozent aller Befragten im DAT-Barometer an, ihren Bedarf auch mit älteren Fahrzeugen zu decken. Fast ein Drittel (27 Prozent) kaufen sogar öfter Fremdmarken ein, und gut 16 Prozent suchten häufiger auch im Ausland nach der passenden Ware. Interessant: Ein geringer Prozentsatz (13 Prozent) gab an, auch vermehrt gebrauchte PHEV und BEV zu kaufen.
Standtage steigen leicht
Das hohe Preisniveau auf dem Gebrauchtwagenmarkt gepaart mit der hohen Inflation und der Sorge vor weiter steigenden Lebenshaltungskosten sorgt dafür, dass Interessenten derzeit in einer abwartenden Haltung bleiben. Das schlägt sich in den Standtagen nieder. Wenn es nicht zwingend notwendig ist, wird nicht gekauft, und wenn der passende junge Gebrauchtwagen nicht vorhanden ist, dann auch nicht. Diesel-Gebrauchtwagen stehen aktuell wieder wie im Vorjahr 84 Tage, Benziner kommen mit 87 Tagen im Juli ebenfalls fast auf das Vorjahresniveau.
Stillstand kostet Geld
Standkosten sind ein relevanter Faktor im Gebrauchtwagengeschäft. Die Befragung des Handels hat ergeben, dass derzeit pro Tag und Pkw 25 Euro an Standkosten anfallen. Berücksichtigt hierbei werden u. a. die Finanzierungskosten für die einzelnen Pkw, das Bewerben der Fahrzeuge sowie weitere Marketingkosten. Gleichzeitig müssen aber auch Verbringungs-, Lager- und Reinigungskosten sowie Aufwände beim Reparieren von Standschäden berücksichtigt werden. Relevant in diesem Zusammenhang ist der so genannte Risikobestand, d. h. wie viel Prozent aller Fahrzeuge länger als 90 Tage stehen. Dieser Anteil ist in den vergangenen drei Jahren von 38 Prozent auf 18 Prozent gesunken.
Die ausführliche Darstellung der einzelnen Themen finden sich unter https://barometer.dat.de/.
(633-00/Daniel Rösch)