Der Ministerrat der Landesregierung hat den ersten Referentenentwurf für das „Gesetz zur Änderung des Bildungszeitgesetzes Baden-Württemberg“ für die Verbandsanhörung freigegeben. „In Zeiten der Transformation und der Pandemie sind gut qualifizierte und leistungsfähige Beschäftigte für unseren wirtschaftlichen Erfolg wichtiger denn je. Wir wollen das Bildungszeitgesetz im Detail verbessern, um die positiven Effekte künftig weiter zu verstärken. Dabei geht es vor allem um Vereinfachungen und weniger bürokratischen Aufwand“, erklärte Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut.
Der Haken dabei: Der Anspruch auf fünf Tage Bildungszeit im Jahr für berufliche Weiterbildung, politische Weiterbildung sowie die Qualifikation zur Ausübung des Ehrenamts soll nach den Plänen des Wirtschaftsministeriums erhalten bleiben. Vorgesehen ist insbesondere die Einrichtung einer Schiedsstelle, die bei Streitfällen über die Bildungszeitfähigkeit einer Maßnahme angerufen werden kann. Außerdem solle eine adäquate Berücksichtigung von Teilzeitkräften bei der Berechnung der Kleinstbetriebsklausel erfolgen, so Hoffmeister-Kraut
An der grundsätzlichen Kritik ändert der Referentenentwurf leider nicht: Es ist nicht Sache der Arbeitgeber, Weiterbildungszeiten für Beschäftigte in den Bereichen Ehrenamt oder Politik zu bezahlen. Dies ist vielmehr eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und muss aus staatlichen Mitteln finanziert werden. Auch wird das Ziel einer Weiterqualifizierung der Beschäftigten mit Nutzen für die Betriebe im Transformationsprozess sicherlich nicht durch Ehrenamtsschulungen oder politische Weiterbildung erreicht. Die mit den jetzigen Plänen verfolgte Änderung des Bildungszeitgesetzes steht damit in eklatantem Widerspruch zu den Zielen der Landesregierung: Statt eines Nutzens hätten die Unternehmen weiterhin eine deutliche Belastung, was angesichts der Herausforderungen der Transformation in höchstem Maße kontraproduktiv ist.
Im Koalitionsvertrag hatten die Regierungsparteien festgelegt, dass das im Jahr 2015 in Kraft getretene Bildungszeitgesetz Baden-Württemberg evaluiert und novelliert werden soll. Das Bildungszeitgesetz gewährt Beschäftigten einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit von fünf Tagen im Jahr für Maßnahmen der beruflichen und politischen Weiterbildung sowie der Qualifizierung im Bereich des Ehrenamtes. Mit dem „Gesetz zur Änderung des Bildungszeitgesetzes Baden-Württemberg“ soll nun der zweite Teil des im Koalitionsvertrag angekündigten Vorhabens umgesetzt werden. Die Evaluation des Bildungszeitgesetzes wurde vom Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) durchgeführt.
(872-00/Carsten Beuß)