Auch nach der Reform der Sachmangelhaftung Anfang 2022 gilt im gewerblichen Geschäftsverkehr (im Gegensatz zum Verbrauchsgüterkauf!) nach wie vor § 442 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wonach die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen sind, wenn ihm der Mangel bei Vertragsschluss entweder bekannt war oder aber infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist und der Verkäufer den Mangel im zweiten Fall weder arglistig verschwiegen noch eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. Mit dieser Regelung musste sich das Oberlandesgericht (OLG, Az.: 4 U 156/19) Rostock in einem Fall auseinandersetzen, in dem es um den Verkauf eines „Diebstahlrückläufers“ unter Kfz-Händlern ging.
Sachverhalt
Gegenstand des Rechtsstreits war ein gebrauchter Ford Kuga, den ein Autohändler selbst als „Diebstahlsrückläufer“ erworben hatte, nachdem er darauf hingewiesen worden war, dass die Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN) verfälscht worden war. Dieses Fahrzeug hatte er seinerseits kurz darauf als „Diebstahlsrückläufer“ an einen anderen Autohändler weiterverkauft, allerdings ohne Hinweis auf die verfälschte FIN. Vor Besichtigung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrages hatte der Verkäufer dem Käufer allerdings die zutreffende FIN übermittelt. Nach der Übergabe des Fahrzeugs bemerkte der Käufer die geänderte FIN. Weil sich der Käufer vom Verkäufer arglistig getäuscht fühlte, begehrte er die Rückabwicklung des Kaufvertrages.
Fazit
1. Die Regelung des § 442 BGB, wonach bereits grob fahrlässige Mangelunkenntnis zum Ausschluss von Mängelrechten führen kann, gilt nur noch dann, wenn der Käufer entweder kein Verbraucher ist oder wenn es sich um einen Verbraucherkaufvertrag handelt, der bis zum 31. Dezember 2021 abgeschlossen wurde.
2. Der Käufer eines Gebrauchtwagens handelt dann grob fahrlässig, wenn er es unterlässt, Erkundigungen einzuziehen, obwohl die Umstände des Falls ihn zu besonderer Vorsicht mahnen oder er über besondere Sachkunde verfügt.
3. Wird der Käufer vom Verkäufer oder einem Dritten auf einen Mangel hingewiesen, liegt in der Regel bereits Mangelkenntnis vor, was zum Ausschluss der Mängelrechte führt. Zumindest aber wäre es grob fahrlässig, wenn der Käufer einem solchen Hinweis nicht durch eine eigene Untersuchung des Fahrzeugs oder anderweitige Informationsbeschaffung nachgeht.
4. Bei Fahrzeugen, die dem Risiko des Diebstahls besonders ausgesetzt sind oder bekanntermaßen schon Objekt eines Diebstahls waren, besteht für den erwerbenden Autohändler grundsätzlich die Pflicht, unmittelbar vor Vertragsschluss Erkundigungen über die Herkunft des Fahrzeugs einzuholen und im Rahmen dieser Prüfung die in der ZB II vermerkte FIN mit der im Fahrzeug eingeschlagenen Nummer zu vergleichen.
5. Sofern es sich bei dem Käufer um einen gewerblichen Autohändler handelt, genügt der Verkäufer seiner Aufklärungspflicht mit dem Hinweis auf einen „Diebstahlrückläufer“ auch dann, wenn er es unterlässt, den Käufer auch ausdrücklich auf die Veränderungen an der FIN hinzuweisen, vorausgesetzt der Verkäufer teilt dem Käufer die zutreffende FIN vor einer Besichtigung des Autos und dem Abschluss des Kaufvertrags mit. Zur Streitvermeidung empfiehlt es sich aber, den Käufer auch auf diesen Umstand hinzuweisen.
(933-16/Julia Cabanis)