Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass es „in den Obhuts- und Gefahrenbereich des Anlagenbetreibers“ fällt, wenn das zu waschende Fahrzeug und die Waschanlage konstruktiv „nicht zueinander passen“ und dass der Anlagenbetreiber daher für in solcher Kombination entstehende Fahrzeugschäden zu haften habe.
Der zu entscheidende Fall hatte bereits vorher das Medieninteresse geweckt, weil feststand, dass sich sowohl das Fahrzeug als auch die Waschanlage zuvor in ordnungsgemäßen Zustand befanden und die Waschanlage dem aktuellen Stand der Technik entsprach. Die Vorinstanzen hatten noch unterschiedlich entschieden. Während das Amtsgericht Ibbenbüren den Waschanlagenbetreiber noch zum Schadensersatz verurteilt hatte, wies die Berufungsinstanz, das Landgericht (LG) Münster, die Klage u.a. mit folgender Begründung ab: „Der Betreiber einer automatischen Waschanlage ist nicht verpflichtet, die Anlage auf sämtliche – gegebenenfalls auch serienmäßig ab Werk erstellte – Fahrzeugsondergestaltungen auszurichten. … Dies würde zu einer derart ausufernden Haftung führen, welche einer Garantiehaftung gleicht. Es würde dem Betreiber einer Selbstbedienungs-Waschanlage obliegen, alle möglichen Serienausstattungen von allen zugelassenen Fahrzeugen auf eine vollständige Kompatibilität mit der Waschanlage zu prüfen, die Fahrzeuge auf das Vorhandensein etwaiger ungeeigneter Bauteile vor dem Einfahren in die Waschanlage zu kontrollieren und entsprechend ungeeignete Fahrzeuge zurückzuweisen.“
Mit seiner Auffassung, es liege in der Verantwortung des Fahrers, wenn sein Auto konstruktiv für eine automatische Waschanlage ungeeignet sei, urteilte das LG Münster jedoch komplett gegensätzlich zum Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe. Dieses hatte im Jahr 2015 die Meinung vertreten, die Feststellung, ein Fahrzeug erscheine als für die Waschanlage „konstruktiv ungeeignet“, sei in technischer Hinsicht identisch mit der Feststellung, dass die Waschanlage „konstruktiv ungeeignet“ für das klägerische Fahrzeug. Der Waschanlagenbetreiber habe daher eine zur Wäsche dieses „Fahrzeugs ungeeignete Waschanlage“ zur Verfügung gestellt und für entstehende Fahrzeugschäden zu haften. Wegen dieser divergierenden obergerichtlichen Rechtsprechung hatte das Landgericht Münster die Revision zum BGH zugelassen.
Nach Auffassung des BGH habe die Ursache der Beschädigung allein im Obhuts- und Gefahrenbereich des Waschanlagenbetreibers gelegen. Schließlich sei der Heckspoiler, der den Schaden verursacht hat, serienmäßig am Auto angebracht gewesen. Der Kunde konnte laut BGH daher „berechtigt darauf vertrauen, dass sein Fahrzeug so, wie es ist, also mitsamt den serienmäßig außen angebrachten Teilen, unbeschädigt aus dem Waschvorgang hervorgehen werde“. Schließlich könnten Kunden Waschanlagen, die konstruktionsbedingt nicht in der Lage sind, ihr Auto zu reinigen, nicht im Vorhinein identifizieren und meiden. Stattdessen habe es der Waschanlagenbetreiber in der Hand, bestimmte Fahrzeugmodelle auszuschließen, was er im vorliegenden Fall aber nicht getan hatte.
Dass der BGH nun die seinerzeitige Auffassung des OLG Karlsruhe teilt und damit den Waschanlagenbetreibern eine Art Gefährdungshaftung auferlegt, ist nicht nur aus Sicht der Branche, sondern auch aus Sicht des durchschnittlichen Kunden zu bedauern. Denn naturgemäß werden die sich mit einer solchen Gefährdungshaftung verbundenen zusätzlichen Kostenrisiken in absehbarer Zeit in erhöhten Haftpflichtprämien der Betreiber wiederfinden, die zum Schluss – wie immer in der Marktwirtschaft – alle Kunden über erhöhte Waschpreise mitbezahlen müssen, der Fahrer eines Golfs ohne jeden Spoiler genauso wie der (in diesem Fall klageführende) Fahrer eines Range Rovers mit Heckspoiler.
Denn anders, als der BGH meint, ist es Betreibern von Waschanlagen eben nicht möglich, sich immer darüber zu informieren, „für welche Fahrzeuge ihre Anlage konstruktionsbedingt ungeeignet ist und daher ein erhöhtes Schadensrisiko besteht.“ Ein Beispiel: Im August 2022 hatte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) 2.898 Halterinnen und Haltern eines Range Rover Sport in Deutschland einen behördlich überwachten Werkstattaufenthalt angekündigt. Die Fahrzeuge mussten für eine Verstärkung der Klebeverbindung am Heckspoiler in die Vertragswerkstätten. Ansonsten könnte sich das Bauteil lösen „und in den Verkehrsraum gelangen“ (ohne dass eine Waschanlage beteiligt war), warnte das KBA. Allerdings betraf dieser Rückruf Fahrzeuge der Baujahre 2009 bis 2011, d.h. es hatte mindestens 11 Jahre gedauert, bis dieses Schadensrisiko öffentlich bekannt wurde.
Wolfgang Janisch hatte in der Süddeutschen Zeitung in einer Vorberichtserstattung auf das BGH-Urteil unter dem Titel „Wer haftet, wenn keiner schuld ist?“ folgende Sätze formuliert: „Weil die moderne Welt nun mal voller Rechtsansprüche ist, hat sich der Mensch an folgende Regel gewöhnt: Wenn er einen Schaden erleidet, an dem ihn selbst keine Schuld trifft, dann muss es jemanden geben, der dafür haftet. Und zwar immer.“ Man kann diese „Regel“ auch Vollkaskomentalität nennen.