Wir möchten über ein Merkblatt informieren, das das Ministerium der Justiz und für Migration (JuM BW) kürzlich auf Anregung aus dem Handwerk veröffentlicht hat. Es soll dazu dienen, Rechtsunsicherheiten bei Betrieben im Zusammenhang mit der Verlängerung von Aufenthaltstiteln auszuräumen. Sie finden das Merkblatt auf der Homepage des Ministeriums. Wir möchten den Hintergrund erläutern und die wichtigsten Informationen zusammenfassen.
Anregung aus dem Handwerk
Der Bäckerinnungsverband Südwest hat Handwerk BW auf ein Merkblatt des hessischen Ministeriums aufmerksam gemacht, das bei Betrieben vorhandene Rechtsunsicherheiten bei der Verlängerung von Aufenthaltstiteln ausräumen soll. Da die Rechtslage bundesweit einheitlich ist, hat Handwerk BW beim hier in Baden-Württemberg zuständigen Ministerium angeregt, auch baden-württembergischen Arbeitgebern ein solches klarstellendes Merkblatt an die Hand zu geben. Die Botschaft des Merkblatts ist: Die geltende Rechtslage und deren unbürokratische Anwendung durch die Ausländerbehörden sorgen dafür, dass missliche lange Bearbeitungszeiten bei Ausländerbehörden nicht zum Nachteil der ausländischen Beschäftigten oder der Arbeitgeber führen.
Wichtigste Information für die Arbeitgeber:
Häufig kommt es zu Terminschwierigkeiten bei den Ausländerbehörden im Zusammenhang mit der Verlängerung von Aufenthaltstiteln sowie mit der Verlängerung von sog. Fiktionsbescheinigungen. Viele Betriebe sind verunsichert, ob die Gefahr der illegalen Beschäftigung besteht. Mit dem Merkblatt möchte das Ministerium die geltende Rechtslage erläutern: Wurde rechtzeitig ein Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels und anschließend rechtzeitig ein Antrag auf Verlängerung der Fiktionsbescheinigung gestellt, ist der Aufenthalt weiter rechtmäßig und kann durch den Arbeitgeber trotz abgelaufener Fiktionsbescheinigung nachgewiesen werden.
Das Ministerium gibt mit dem Merkblatt eine umfassende Übersicht zur Fiktionswirkung bei Anträgen auf Erteilung und Verlängerung von Aufenthaltstiteln. Relevant für Arbeitgeber sind die Ausführungen zur Fiktionswirkung und zur Fiktionsbescheinigung bei der Verlängerung von Aufenthaltstiteln (Abschnitte II. bis IV. des Merkblatts).
Fiktionswirkung und Fiktionsbescheinigung:
Der bisherige Aufenthaltstitel gilt als fortbestehend, wenn vor Ablauf des Aufenthaltstitels ein Antrag auf Verlängerung gestellt wurde. Diese so genannte Fiktionswirkung gilt kraft Gesetzes und unbefristet bis zur Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltstitels. Beinhaltete der zu verlängernde Aufenthaltstitel die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, besteht diese Berechtigung weiter.
Damit der Ausländer während der Bearbeitungszeit des Verlängerungsantrags einen Nachweis über diese kraft Gesetzes geltende Fortgeltung des bisherigen Aufenthaltstitels hat, stellt die Ausländerbehörde eine Bescheinigung aus (Fiktionsbescheinigung). Diese Fiktionsbescheinigung wird befristet – in der Regel für drei bis sechs Monate – ausgestellt. Sie wird verlängert, wenn die Bearbeitung des Verlängerungsantrags bei der Behörde noch andauert.
Was gilt, wenn die Fiktionsbescheinigung abgelaufen ist, aber der Ausländer keine rechtzeitige Verlängerung der Fiktionsbescheinigung erhält?
• Der Ablauf der Fiktionsbescheinigung führt nicht dazu, dass der Ausländer illegal beschäftigt ist. Die Fiktionsbescheinigung ist lediglich ein Nachweis für die Fortgeltung des vorherigen Aufenthaltstitels.
• Dieser Nachweis ist auch anderweitig möglich: Erforderlich ist ein Nachweis, dass die Verlängerung der Fiktionsbescheinigung beantragt wurde bzw. ein Termin für die Verlängerung gebucht wurde. Ausreichend für den Nachweis ist ein Terminbuchungsbeleg bzw. die elektronische Bestätigung über den Eingang des Antrags auf Verlängerung. (S. 3, 2. Absatz des Merkblatts)
➔ Solange die Fiktionsbescheinigung entweder aktuell ist oder die Fiktionswirkung anderweitig nachgewiesen werden kann, besteht keine Gefahr der illegalen Beschäftigung. Die Weiterbeschäftigung ist also rechtmäßig, obwohl der Aufenthaltstitel und die Fiktionsbescheinigung abgelaufen sind.
Wichtig: Die Berechtigung zur Weiterbeschäftigung gilt nur, wenn der vorherige Aufenthaltstitel rechtmäßig zur Erwerbstätigkeit berechtigt. Soll der Aufenthaltstitel geändert werden (z. B. von Ausbildung zu Erwerbstätigkeit), gilt dies nicht.
Daraus ergeben sich folgende Praxistipps für Arbeitgeber:
• Ablauffrist der Fiktionsbescheinigung überwachen
• Arbeitnehmer an rechtzeitigen Antrag auf Verlängerung der Fiktionsbescheinigung erinnern
• Nachweis aufbewahren
Das Merkblatt des Ministeriums stellt die Grundsätze dar und ersetzt keine Rechtsberatung im Einzelfall. Für Fragen zum konkreten Fall sollten sich Arbeitgeber an die zuständige Ausländerbehörde wenden. Weicht die Praxis der zuständigen Behörde von der im Merkblatt dargestellten Rechtslage ab, können Betriebe auf das Merkblatt des Ministeriums verweisen.