Die erste Entscheidung eines Oberlandesgerichts (OLG) zum „neuen“ Kaufrecht ist da. In seinem Urteil hat sich das OLG Köln (Az.: 11 U 20/24) mit der Frage befasst, ob die Vertragsparteien im streitgegenständlichen Kaufvertrag eine negative Beschaffenheitsvereinbarung über die Eigenschaft des Gebrauchtwagens als Unfallfahrzeug getroffen haben und außerdem aufgezeigt, was erforderlich ist, um eine negative Beschaffenheitsvereinbarung mit einem Verbraucher wirksam abzuschließen.
Sachverhalt
Der Käufer, ein Verbraucher, erwarb im Jahr 2023 einen 16 Jahre alten Pkw mit einer Laufleistung von 112.000 km. In dem Kaufvertragsformular heißt es:
„Durch Ankreuzen der nachfolgenden Checkbox(en) akzeptiert der/die Käufer/-In die jeweilig beschriebenen negativen Beschaffenheitsvereinbarungen.
Anzahl, Art u. Umfang der Unfälle, (Unfall-)Schäden und sonstigen negativen Abweichungen von der üblichen Beschaffenheit lt. Vorbesitzer.
(x) Der Verkäufer übernimmt keine Haftung auf Unfallfreiheit, Nachlackierungen/ Spachtelarbeiten, da das Fahrzeug gebraucht und die Fahrzeughistorie nicht bekannt ist.
Etwaige weitere dem Verkäufer bekannte Unfälle, (Unfall-) Schäden und sonstige negative Abweichungen von der üblichen Beschaffenheit.
(x) Es ist möglich, dass das Fahrzeug einen oder mehrere Unfälle hatte. Frühere Unfälle, Nachlackierungen, Spachtelarbeiten oder infolgedessen entstehenden weiteren Schäden an jeglichen Bauteilen sind von der Haftung ausgeschlossen.
(x) Dem Käufer ist dies bewusst, handelt auf eigene Rechnung und Gefahr und bestätigt mit dessen Unterschrift.“
Kurze Zeit nach der Fahrzeugübergabe ließ der Käufer das Fahrzeug wegen eines Ruckelns beim Fahren überprüfen. Dabei wurde festgestellt, dass das Fahrzeug an zahlreichen Bauteilen nachlackiert worden war und unstreitig mindestens einen Unfallschaden erlitten hatte. Daraufhin begehrte der Käufer die Rückabwicklung des Kaufvertrages.
Entscheidung des OLG Köln
Während die Vorinstanz, das LG Bonn, die Klage des Käufers abgelehnt hatte, gab das OLG Köln dem Rücktrittsbegehren des Käufers statt, weil die Vertragsparteien keine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende negative Beschaffenheitsvereinbarung über die Eigenschaft des Fahrzeugs als Unfallfahrzeug getroffen hatten.
Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich folgendes:
Nach dem seit der Schuldrechtsreform im Jahr 2022 geltenden neuen Sachmangelbegriff ist eine Sache mängelfrei, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen entspricht.
Nach den objektiven Anforderungen an ein Fahrzeug stellt eine Unfallvorbelastung einen Sachmangel dar. Es entspricht ständiger BGH-Rechtsprechung, dass der Käufer eines Gebrauchtwagens davon ausgehen darf, dass das Fahrzeug keinen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als „Bagatellschäden“ gekommen ist, sofern keine besonderen Umstände vorliegen, die einen anderen Schluss nahe legen.
Abweichungen von den objektiven Anforderungen (= negative Beschaffenheitsvereinbarungen) sind beim Verbrauchsgüterkauf seit der Schuldrechtsreform nur noch unter Beachtung verschärfter formeller Anforderungen zulässig. Soll zu Lasten des Verbrauchers von den objektiven Anforderungen durch eine negative Beschaffenheitsvereinbarung abgewichen werden, muss der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung eigens davon in Kenntnis gesetzt werden, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware von den objektiven Anforderungen abweicht, und diese Abweichung muss im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart werden (§ 476 Abs. 1 S. 2 BGB).
Nach einhelliger Meinung ist jede Vereinbarung, die unmittelbar oder mittelbar bewirkt, dass der Verbraucher das Risiko der Existenz eines verborgenen Mangels trägt, bereits als unzulässiger Haftungsausschluss zu werten.
Im vorliegenden Fall haben die Vertragsparteien nach Ansicht des OLG Köln auch keine haftungsentlastende negative Beschaffenheitsvereinbarung getroffen. Dies hat das OLG mit folgenden Erwägungen begründet:
Negative Beschaffenheitsvereinbarungen müssen den Verbraucher von bestimmten Merkmalen der Kaufsache in Kenntnis setzen und somit die Abweichung beschreiben:
• Diese Anforderungen erfüllt der Verkäufer nicht, wenn er lediglich erklärt, das Fahrzeug nicht zu kennen, und dass deshalb ein Unfallschaden möglich sei.
• Es darf nicht offen bleiben, ob das Fahrzeug mangelhaft ist oder nicht. Klauseln, wie „möglicherweise mangelhaft“ oder „Fahrzeug eventuell nicht unfallfrei“, begründen daher keine wirksame negative Beschaffenheitsvereinbarung mit einem Verbraucher.
• Vereinbarungen zur Beschaffenheit der Kaufsache mit einem Verbraucher, durch die das Risiko des Bestehens verborgener Mängel auf diesen abgewälzt werden sollen, sind ebenfalls als unzulässige Umgehungen zu werten (vgl. § 476 Abs. 4 BGB). Für die Ungewissheit, ob das Fahrzeug bei Übergabe objektiv mangelhaft ist oder nicht, hat der Verkäufer einem Verbraucher gegenüber unbedingt und uneingeschränkt einzustehen.
• Negative Beschaffenheitsvereinbarungen bedürfen für ihre Wirksamkeit einer ausdrücklichen und gesonderten Vereinbarung. Das erfordert, dass die Abweichung hervorgehoben werden muss, damit der Verbraucher sie bewusst in seine Kaufentscheidung einbeziehen kann. Sie darf weder in den anderen Kaufvertragsbedingungen „versteckt“ werden noch in den eigentlichen Vertragstext integriert sein, sondern muss von ihm so deutlich abgesetzt sein, dass die vom Gesetzgeber beabsichtigte Warnfunktion erfüllt wird. Außerdem muss der Verbraucher ihr speziell zustimmen, sie also separat unterzeichnen. An einer gesonderten Vereinbarung fehlt es auch dann, wenn ein Kästchen schon vorangekreuzt ist und der Verbraucher es lediglich nicht deaktiviert.
• Beim Verkauf einer Ware an Verbraucher ist es unerheblich, ob dem Käufer/Verbraucher Vorschäden bei Besichtigung und Erwerb positiv bekannt waren. Mangelkenntnis reicht beim Verbrauchsgüterkauf nicht mehr aus, um insofern einen Ausschluss der Gewährleistungsrechte zu bewirken. Die an eine Mangelkenntnis des Käufers anknüpfende Vorschrift des § 442 BGB ist beim Verkauf an Verbraucher nicht mehr anwendbar.
Fazit:
Während es dem gewerblichen Verkäufer beim Gebrauchtwagenverkauf an Unternehmer (B2B-Geschäfte) möglich ist, die Sachmangelhaftung vollständig auszuschließen, kann er seine Haftung gegenüber Verbrauchern lediglich auf ein Jahr reduzieren. Während dieser Zeit haftet er gegenüber Verbrauchern grundsätzlich auch für verdeckte Mängel. Dieses Risiko lässt sich nicht wirksam auf den Verbraucher abwälzen. Jeder Versuch einer Abwälzung würde sich letztlich als unzulässige Umgehung der den Verbraucher schützenden Normen darstellen. Vor Sachmängelhaftungsansprüchen des Verbrauchers schützen kann sich der Händler nur, indem er den Gebrauchtwagen im eigenen Interesse einer genaueren Untersuchung unterzieht und die ggf. entdeckten Mängel zum Gegenstand einer negativen Beschaffenheitsvereinbarung mit dem Verbraucher macht.