Stuttgart. Das Kraftfahrzeuggewerbe fordert den Verzicht auf Fahrverbote im Luftreinhalteplan für Stuttgart. Es sei zumindest “… auf den Zeitpunkt zu verschieben, an dem feststeht, dass die von der Bundesregierung am 2. Oktober 2018 vorgestellten geplanten Maßnahmen und Vorhaben nicht die erhoffte Verringerung der Schadstoffbelastung der Stuttgarter Luft bringen”, schreiben Präsident Michael Ziegler und Obermeister Torsten Treiber in der gemeinsamen Stellungnahme des Verbandes des Kraftfahrzeuggewerbes Baden-Württemberg und der Kraftfahrzeuginnung Region Stuttgart. Michael Ziegler übt dabei Kritik an der Bundesregierung: “Wir brauchen dringend die versprochenen Regelungen für die Nachrüstung durch den Bund. Jeder Tag, der hier ungenutzt verstreicht, ist einer zu viel.”

Beide Organisationen fordern in ihrer Stellungnahme außerdem, in die Anstrengungen zur Luftreinhaltung auch andere Emittenten einzubinden. Speziell beziehen sie sich auf die Stuttgarter Kraftwerke, bei denen dem Kraftwerk Gaisburg ein höherer NOx-Ausstoß genehmigt wurde. Für den Fall, dass das Land das Fahrverbot nicht verschiebt, fordern sie Sonderregelungen für die Kunden der Kfz-Betriebe in Stuttgart, die außerhalb der Fahrverbotszonen wohnen. Außerdem müssten dann die Halter von bis zu 17.000 Nutzfahrzeugen mit Standort Stuttgart dauerhaft vom Fahrverbot befreit werden: “Denen nützt die Befreiung des Lieferverkehrs nichts, weil sie ihre Fahrzeuge gar nicht mehr am Betriebssitz in Stuttgart stationieren können”, sagt Obermeister Torsten Treiber.

“Ohne eine flexible Haltung des Landes in Sachen Fahrverbot läuft den Menschen mit Dieseln die Zeit davon”, sagt Michael Ziegler. “In 79 Tagen sollen die ersten Fahrverbote in Kraft treten und wir haben nach den Abläufen, die wir bisher erleben mussten, unsere Zweifel, ob bis dahin im Bund wenigstens alle Regelungen vorliegen. “In Stuttgart”, so Ziegler und Treiber, “nimmt die Nachrüstung ja auch deswegen eine Schlüsselstellung ein, weil das Land die etwaige Einführung von Euro-5-Fahrverboten zum 01.01.2020 von der Entwicklung der Stickoxidwerte 2019 abhängig machen will.” Kurz und gut: “Logisch wäre es, die Entscheidung für alle mindestens auf den 01.01.2020 aufzuschieben und “dem klagewütigen Jürgen Resch gelassen entgegenzusehen” (Torsten Treiber).

Die beiden Kfz-Organisationen fordern aber nicht nur das Moratorium fürs Fahrverbot aufgrund der sich “absehbar verändernden Rechtslage”, sie beugen auch vor für den Fall, dass das Land sich anders entscheidet. “Da die 120 Stuttgarter Betriebe mit ihren rund 2.000 Beschäftigten akut in ihrer Existenz gefährdet werden, wenn sie erst von ihren Kunden außerhalb Stuttgarts abgeschnitten werden und dann am 1. April 2019 auch noch die Stuttgarter ihre Euro-4-Diesel einstampfen können” (Torsten Treiber), wird eine “allgemeine und unbeschränkte Einfahrerlaubnis für Menschen mit Diesel-Pkw oder auch Nutzfahrzeugen gefordert, die nachweisbar zu den Kfz-Betrieben wollen.”

“Außerdem ist uns aufgefallen, dass die Befreiung für Handwerker- und Lieferverkehr zwar ein schöner Zug des Landes ist, aber für Stuttgarter Betriebe und Handwerker gar nichts bringt”, sagt Michael Ziegler. Grund: “73.000 dieser Fahrzeuge haben ihren Standort in Stuttgart. Und sobald ein Verkehrsverbot gilt, müssten alle die raus aus der Stadt, die unter das Verbot fallen.” Stuttgarter Betriebe würden damit “gegenüber Wettbewerbern aus der Region und der gesamten Republik benachteiligt.”

Verband und Innung sprechen sich in ihrer Stellungnahme auch dafür aus, alle Beteiligten gleich zu behandeln. “Die Austauschfristen müssen denen entsprechen, die den Bürgerinnen und Bürgern auferlegt werden”, heißt es in der Stellungnahme mit Blick auf die Busse der SSB, deren sofortiger Austausch gefordert wird, zumal ja auch eine beträchtliche Förderung durch den Bund angekündigt ist. Gleiches gilt für die Fuhrparke von Stadt und Land. Und zwar unabhängig vom Fahrverbot, sondern mit Blick auf schnelle Schadstoffminderung: “Die Umstellung öffentlicher Einrichtungen auf Elektromobilität hat Vorbildcharakter und motiviert auch private Fahrzeughalter zur Anschaffung von Elektrofahrzeugen”, zitiert Michael Ziegler den Luftreinhalteplanentwurf, Seite 78.

Dass die S-Bahn derzeit und vor 2020 gar nicht in der Lage ist, größere Mengen an umsteigenden Pendlern aufzunehmen, ist für Verband und Innung ein weiteres Argument für eine Verbotsverschiebung. Außerdem kritisieren beide, dass vor allem Menschen mit Auto die Lasten auferlegt werden: Deswegen fordern sie beispielsweise die Verringerung des Stickoxid-Ausstoßes der Stuttgarter Kraftwerke. Das Kraftwerk Gaisburg ist dabei besonders im Fokus: Hier wurde für 2019 ein Ausstoß von 75 Tonnen statt vorher 45 Tonnen genehmigt: “Das ist fast so viel, wie alle leichten Nutzfahrzeuge in Stuttgart zusammen ausstoßen”, sagt Torsten Treiber.

Für die Verringerung des Feinstaubs schlagen beide Organisationen vor, dass das Land eine Austauschprämie für Holzöfen auflegt. Dies auch mit Blick auf mögliche Dieselfahrverbote: “Die Menge Feinstaub von Fahrzeugen wird von alten Holzöfen weit übertroffen.”

Investieren soll das Land auch in die Ausweisung von Park-and-Ride- und Park-und-Mitfahr-Plätzen: “Die Landesregierung sollte bedenken, dass das Auto immer noch der Verkehrsträger Nummer eins nicht nur im Wirtschaftsverkehr, sondern auch im Berufsverkehr ist.” Spielraum sei, bei aller Kritik am Tempo der Bundesregierung bei der Umsetzung, jetzt durch die angekündigten Maßnahmen genug da: “Umweltministerin Svenja Schulze hat die Verringerung der Luftbelastung durch die Maßnahmen auf zehn Mikrogramm taxiert. Das Verkehrsverbot bringt laut LRP-Entwurf Seite 63 nur 4,6 Mikrogramm. Damit sind die vom Bund angekündigten Maßnahmen wirkungsvoller als ein Verkehrsverbot und alle anderen Maßnahmen des Luftreinhalteplans wirken noch zusätzlich.”