Am 10. April traf sich der Zentralverband des Tankstellengewerbes (ZTG) in Bochum zu einem längeren Gespräch mit Vertretern der Aral AG. Gesprächspartner von Seiten der Aral waren Marc Borggräfe, Michael Frischbier und Oliver Krawinkel, für den ZTG nahmen Markus Pillok, Jannis Verfürth und Jürgen Ziegner teil. Der Gesprächstermin fiel in eine Zeit, die für die Aral wie für den gesamten BP-Konzern mit großer Unruhe und absehbaren Umstrukturierungen verbunden ist.
Michael Frischbier sprach dieses Thema auch sehr offen an, legte aber zunächst den Schwerpunkt darauf, dass man mit den Ergebnissen im COSI-Netz des Jahr 2024 durchaus zufrieden sei. Die Geschäftsplanung sei im Großen und Ganzen aufgegangen, wenn auch mit Ausreißern an einzelnen Standorten nach oben und nach unten. Bei unzureichenden Geschäftsergebnissen habe Aral noch im März dieses Jahres rückwirkende Unterstützungszahlungen für 2024 geleistet. Im letzten Jahr habe die Aral-Organisation bei der Betrachtung des Tankstellennetzes schon das Hauptaugenmerk auf Profitabilität gelegt; in den Jahren zuvor habe noch das Wachstum im Fokus gestanden. Inzwischen habe man beispielsweise erkannt, dass nicht jeder Standort für das REWE to go-Konzept geeignet sei. Im Vordergrund stehe jetzt auch die Frage, „was können wir einfacher machen.“
Die Vermutung des ZTG: Diese – vergleichsweise kleine – Wende in der Strategie ist offensichtlich Teil des großen „Schwenks zurück“, der im gesamten BP-Konzern gerade vollzogen wird. BP-CEO Murray Auchincloss macht derzeit die Klimawende seines Vorgängers Bernhard Looney rückgängig, der BP weniger von fossilen Brennstoffen abhängig machen und stattdessen saubere Energieträger wie Wind und Solar ausbauen wollte. Er muss offenbar, auch unter dem Druck aktivistischer Investoren, möglichst schnell die Rendite nach oben drücken. Kurzfristige Ergebnisse sind offenbar wichtiger als die bisherige strategische Aufstellung des Konzerns.
In diesem Zusammenhang steht auch das Kostensenkungsprogramm der BP, das Michael Frischbier in der Folge ansprach und das nach seinen Worten die Aral nicht unvorbereitet treffe, dennoch aber für Unruhe in der Belegschaft sorge (Anmerkung: Kein Wunder, wenn, wie in der Presse kolportiert, von 800 Mitarbeitern in der Zentrale 300 gehen sollen.). Hinzu komme der geplante Verkauf der Ruhr Oel GmbH – BP Gelsenkirchen sowie der dazugehörigen Raffinerieanlagen und der Tankstellennetze in den Niederlanden und in Österreich.
Der Verkauf des deutschen Tankstellennetzes stehe jedoch keineswegs auf der Agenda; BP behalte die Tankstellennetze in Deutschland, den USA und in UK. Allerdings betrachte man die Stationen in Deutschland derzeit differenzierter als zuvor. So sollen beispielsweise wieder mehrere COSI-Stationen zu DODO-Tankstellen werden, d.h. verkauft und als Eigentümer-Stationen unter der Aral-Marke weitergeführt werden. Wie auch in der Vergangenheit werden diese Tankstellen zunächst bestehenden Partnern angeboten, danach mittelständischen Netzen, die aber auch bereits Stationen unter einem Aral-Plakettenvertrag führen. Bei allen handele es sich um Tankstellen, in denen sich das COSI- und REWE-System „nicht rechnet.“
Die hohen Personalkosten, die angesichts des weiter steigenden gesetzlichen Mindestlohns zu einem immer größeren Problem werden, führen bereits jetzt zu einer Differenzierung in den REWE to go-Shops. So habe man in vielen Bistros schon das Angebot von frisch hergestellten Speisen eingeschränkt und biete stattdessen verpackte Industrieware an.
Ein vom ZTG eingebrachtes Thema waren die im COSI-Vertrag vorgesehenen Einstandszahlungen. In zwei bekannten Fällen von nach einer Eigenkündigung ausgeschiedenen Pächtern wird diesen in der Endabrechnung die Einstandszahlung berechnet, obwohl ihr aufgrund der Eigenkündigung kein Ausgleichsanspruch gegenübersteht. Die Vertreter der Aral sagten zu, diese Fälle zu prüfen und den ZTG über den Fortgang zu informieren.
Im Anschluss entspann sich eine längere Diskussion über das Thema, das viele Aral-Mitglieder derzeit stark beschäftigt: Die striktere Handhabung beim Umgang mit Inventurdifferenzen, die offenbar teilweise so weit geht, dass einzelne Außendienstler Partner drängen, diese finanziell auszugleichen, ohne dass sich dafür im COSI-Vertrag eine rechtliche Grundlage findet. Der ZTG bemängelte, dass einzelne sogenannte „kritische Grenzen“ zu niedrig angesetzt sind (bspw. bei Tabakwaren) und in der Praxis kaum einzuhalten sind. Hinzu kommt bei bestimmten Waren (bspw. Shishas und Vapes) das Inventurdifferenzrisiko durch die Platzierungsvorgaben der Aral gestiegen ist. Die Vertreter der Aral bestätigten, dass inzwischen mehr geprüft werde, insbesondere bei E-Loading-Produkten, die Handhabung aber weiter „mit Augenmaß“ erfolge. Problematisch seien große Pfandbetrügereien durch Personal, bspw. bei Recup-Bechern, aber auch bei Einwegware. Bei letzterem wies der ZTG darauf hin, dass durch die Aufstellung von Pfandautomaten nicht nur dieses Risiko minimiert werden könnte, sondern auch eine Vereinfachung für das Personal erreicht würde. Zudem erhöhen Pfandautomaten die Rückgabequote; der sogenannte Pfandschlupf wird erheblich verringert. Aral will sich dieses Themas nochmals annehmen.
Ein weiteres Thema war die Handhabung bei telefonischem E-Loading-Betrug und die mögliche Geltendmachung von Schadenersatz gegenüber Arbeitnehmern, die entgegen des von ihnen unterschriebenen Belehrungsformulars und aller vom Kassensystem gegebenen Warnhinweise Codes an die Betrüger herausgeben. In diesem Zusammenhang stellte der ZTG die Frage, ob Aral die Kosten für eine Vertrauensschadenversicherung in der Geschäftsplanung anerkennt. Die Vertreter der Aral bejahten dies, allerdings sei diese Versicherung bei ihren Partnern bisher nicht sehr verbreitet. Als erste praktische Maßnahme, soweit sie nicht schon angewendet wurde, schlug der ZTG vor, den Partnern anzuraten, das Stationstelefon in den Abendstunden (wenn die Betrüger bevorzugt zuschlagen) für eingehende Anrufe zu sperren, was bei den heute gängigen Routern leicht einzustellen ist.
Als nächstes Thema sprach der ZTG ein Thema an, das sich in der politischen Diskussion regelmäßig neu stellt, nämlich die sogenannte Scheinselbständigkeit. Derzeit ist zu beobachten, dass sich die Praxis der Deutschen Sozialversicherung bei der Beurteilung, ob jemand selbständig tätig oder abhängig beschäftigt ist, verschärft – und sei es auch wegen der aufgrund einer alternden Gesellschaft und ausufernden Kosten drohenden Unterfinanzierung. Auch die Rechtsprechung der Landessozialgerichte und des Bundessozialgerichts wird strenger; bei der Entscheidung zu den Honorarärzten ließen zwar die vertraglichen Vereinbarungen eine Selbständigkeit vermuten, doch aufgrund der gelebten Praxis nahm das Bundessozialgericht eine abhängige Beschäftigung an.
Im COSI-Vertrag hat der Partner ohnehin nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, sein Einkommen durch Mehrumsätze nennenswert zu steigern. Dafür sind die variablen Provisionen zu niedrig. Ein stark bestimmender Einkommensfaktor ist der Kraftstoffzuschuss, der unabhängig von Umsätzen fix ist und jährlich neu bestimmt wird. Die „Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft“ und die „im Wesentlichen freigestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit“, zwei wichtige Kriterien für den Selbstständigenstatus, werden durch die immer strikteren Vorgaben der Aral (ein Blick in die RosiPlus-News genügt) immer stärker beschränkt und die Partner in ihrer Weisungsgebundenheit und praktischen Tätigkeit angestellten Filialleitern immer ähnlicher. Der ZTG wies die Aral deutlich auf dieses Risiko hin, das sich aktuell auch bei angeblich selbständigen Maklern des größten deutschen Immobilienmaklers Engel & Völkers zeigt.
Ebenfalls angesprochen wurde der Hackerangriff im letzten Jahr, der zum Ausfall des ESO-Systems führte. Die Vertreter der Aral berichteten, die Aufarbeitung sei gut gelungen, insbesondere habe sich gezeigt, dass in dieser Zeit kaum Inventurdifferenzen aufgetreten seien.
Als letztes Thema wurde über das Future Heroes-Programm der Aral gesprochen. Hier sei man inzwischen nach den Erfahrungen der Vergangenheit dazu übergegangen, den Einstieg zu erleichtern. Teilnehmern des Programms werde jetzt auch vermittelt, dass sie das Programm „einfach anfangen“, aber auch wieder aussteigen können, wenn sie feststellen, dass die Tätigkeit als Tankstellenpächter der Aral doch nicht die für sie richtige Tätigkeit sein würde.