Eigentlich herrscht in der Branche seit vielen Jahren die Auffassung, dass die grundlegenden Probleme im Zusammenhang mit der Berechnung des Handelsvertreterausgleichsanspruchs, der einem Tankstellenbetreiber nach der Beendigung des Vertrages mit der Mineralölgesellschaft zusteht, geklärt sind. Grundlage für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs ist danach – sehr kurz zusammengefasst – die im letzten Vertragsjahr gezahlte Provision an den Tankstellenbetreiber, die von der Rechtsprechung im Wesentlichen als Vergütung für dessen werbende Tätigkeit angesehen wird.
Wenn der Umfang der sogenannten Stammkunden, die sich aus den Kassendaten ermitteln lassen, feststeht, ist noch ein Billigkeitsabzug wegen der sogenannten Sogwirkung der Marke durchzuführen und eine Abzinsung vorzunehmen. Sofern der so ermittelte Betrag die durchschnittliche Provision der letzten fünf Jahre nicht überschreitet (sogenannte Kappungsgrenze) ist der Ausgleichsanspruch ermittelt.
Schwierigkeiten, und nunmehr auch Anlass für unterschiedliche Entscheidungen von Landgerichten und Oberlandesgerichten, bereitet nunmehr jedoch die Praxis der Mineralölgesellschaften, ihren Tankstellenbetreibern nicht mehr einfach nur noch Provisionen zu zahlen, sondern die Vergütung des Tankstellenbetreibers in verschiedene Zahlungskategorien aufzuteilen. Altbekannt ist die Vorgehensweise von Mineralölgesellschaften „Betriebskostenzuschüsse“, „Betriebskostenbeihilfen“ oder allgemein „Unterstützungszahlungen“ zu leisten. Bei diesen Zahlungen handelte es sich in der Vergangenheit zumeist um einmalige Leistungen, die eine besondere Situation an der jeweiligen Station berücksichtigen und ausgleichen sollten. In den letzten Jahren ist jedoch vermehrt festzustellen, dass diese Zahlungen regelmäßig, entweder als monatliche Zuschüsse aufgrund einer gesonderten Vereinbarung mit einem festgelegten Ablaufdatum oder sogar vertraglich festgelegt, beispielsweise als „Kraftstoffzuschuss“ vereinbart und gezahlt werden.
In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob es sich bei den genannten Zahlungen nicht tatsächlich um eine zusätzliche Vergütung, also eine Provision für den Verkauf der Kraftstoffe handelt. Ist das der Fall, sind diese zusätzlichen Zahlungen, wie auch immer sie von den jeweiligen Mineralölgesellschaften genannt werden, bei der Berechnung eines Ausgleichsanspruchs zu berücksichtigen. Denn Grundlage für dessen Berechnung ist, wie gesagt, die dem Tankstellenbetreiber gewährte Provision, also die Vergütung für den Absatz der Agenturwaren im letzten Jahr des Betriebes der Tankstelle.
Der ZTG hat bereits mit dem ersten Aufkommen solcher Zahlungen, damals u. a. als „Dienstleistungspauschale“ bezeichnet, die Auffassung vertreten, dass es sich, wie auch immer diese zusätzlichen Zahlungen genannt werden, um nichts anderes als eine Art der Provisionszahlung handelt. Dabei durfte er sich durch eine Entscheidung des BGH vom 13.01.2010 bestätigt fühlen. Das Gericht hatte in der genannten Entscheidung ausgeführt, dass ein Handelsvertreter, der über lange Zeit Betriebskostenzuschüsse erhält, davon ausgehen darf, solche Leistungen auch in Zukunft zu erhalten, sodass diese der Ausgleichsberechnung hinzuzurechnen sind. Das Landgericht (LG) Hamburg ihm folgend das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg haben unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung des BGH an Tankstellenbetreiber gezahlte Betriebskostenzuschüsse deshalb der Vergütung des Tankstellenbetreibers zugerechnet und zur Grundlage für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs gemacht.
Das OLG Hamburg hat erst im Januar 2025 in einem rechtskräftigen Beschluss festgestellt, dass die Betriebskostenzuschüsse sicherstellen, dass die Tankstelle letztlich wirtschaftlich betrieben wird und damit geöffnet bleibt. Sie haben einen direkten Bezug zur werbenden Tätigkeit des Klägers in Gestalt der Herstellung und Aufrechterhaltung von Kundenbeziehungen. Wörtlich: „Nur durch die weitere Öffnung der Tankstelle können Kunden für die Produkte der Beklagten neue geworben und dann, worauf es hier maßgeblich ankommt, gehalten werden. Demgegenüber ergibt sich nicht, dass es sich bei der Leistung der Beklagten um eine solche zur Stützung des Eigengeschäfts des Klägers und damit aus der Sicht der Parteien um eine bloße Wohltat ohne Bezug zur Vertriebstätigkeit gehandelt hat.“
Von dieser Linie weicht bedauerlicherweise das OLG Hamm und ihm folgend das Landgericht (LG) Bochum nunmehr ab. Hatte das OLG Hamm noch bezüglich der Dienstleistungspauschale entschieden, dass diese der Vergütung zuzurechnen sei, vertritt es in einer Entscheidung vom 16.10.2023 nunmehr die Auffassung, bei einem Betriebskostenzuschuss handele es sich gerade nicht um die Vergütung des Tankstellenbetreibers. Vielmehr ergebe sich bereits aus der Wortbedeutung, dass eine solche Zahlung keine Vergütung darstelle, sondern vielmehr einen Nachteil auf der Kostenseite ausgleichen solle.
Das LG Bochum hat in einer aktuellen Entscheidung vom 04.02.2024 nunmehr diese Rechtsprechung zum Anlass genommen, auch eine vertraglich festgehaltene zusätzliche Vergütung für den Absatz von Kraftstoffen, wörtlich in dem Vertrag „Kraftstoffzuschuss“ genannt, nicht mehr der Vergütung und damit den für den Ausgleichsanspruch maßgeblichen Zahlungen der Mineralölgesellschaft zuzurechnen. Das Gericht glaubt aus der von der Mineralölgesellschaft formulierten vertraglichen Regelung, die Parteien würden jährlich über die Höhe dieses Zuschusses unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Standortes neu beraten, ableiten zu können, dass diese Zahlung ebenfalls nur eine Entlastung des Tankstellenbetreibers auf der Kostenseite darstelle und damit keine Vergütung sei.
Bereits über die Rechtsprechung des OLG konnte trefflich gestritten werden. Unabhängig davon, wie eine Leistung bezeichnet wird, erfolgt durch eine solche Zuschusszahlung im Ergebnis nichts anderes als ein Ausgleich für eine zu geringe Vergütung für den Vertrieb der Agenturwaren. Es findet also keine Korrektur auf der Kostenseite statt, wie die Gerichte in der fraglichen Rechtsprechung annehmen, sondern eine Anpassung auf der Einnahmenseite. Nunmehr allerdings einen sogar in dem Vertrag ausdrücklich im Zusammenhang mit dem Vertrieb der Kraftstoffe ausgewiesenen Zahlungsbetrag als Ausgleich auf der Kostenseite zu bezeichnen, lässt sich weder mit der Rechtsprechung des BGH noch mit der vorherigen Rechtsprechung zu einer sogenannten Dienstleistungspauschale in Übereinstimmung bringen.
Es ist deshalb zu hoffen, dass die Rechtsprechung des OLG zur Berücksichtigung von Betriebskostenzuschüssen bei der Ausgleichsberechnung ebenso eine Korrektur erfährt, wie die Rechtsprechung des LG Bochum, die sogar den Kraftstoffzuschuss nicht als Vergütung des Tankstellenbetreibers anerkennt. Das gilt umso mehr, als nunmehr auch andere Gesellschaften dazu übergehen, ihren Betreibern jährliche Zuschüsse mit unterschiedlichen Bezeichnungen, allerdings fortlaufend, zu gewähren. Ohne diese Zuschüsse ist in vielen Fällen nach unserer Erfahrung ein wirtschaftlicher Betrieb der Tankstellen nicht möglich. An der Zuordnung als Vergütung für die werbende Leistungen des Tankstellenbetreibers kann deshalb kein Zweifel bestehen. Diese Zahlungen sind unseres Erachtens bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs in jedem Fall zu berücksichtigen.