Auch wenn der Vermittler eines Gebrauchtwagengeschäfts selbst nicht Vertragspartei wird und er nicht für etwaige Sachmängel haftet, muss er den Käufer dennoch ungefragt über bestimmte Umstände aufklären. Das Oberlandesgericht (OLG, Az.: 3 U 151/23) Koblenz hat sich in seinem Urteil mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen sich der Vermittler gegenüber dem Käufer des vermittelten Fahrzeugs schadenersatzpflichtig macht.
Sachverhalt:
Ein Verbraucher erwarb im April 2017 ein gebrauchtes Fahrzeug der Marke Chrysler. Dabei trat ein Autohändler, der damit warb, sich seit Jahren auf den Import, Verkauf und die Vermittlung von (gebrauchten) US-Fahrzeugen spezialisiert zu haben, als Vermittler auf. In dem bei Fahrzeugübergabe vom Käufer und dem Vermittler unterzeichneten Formular über eine „verbindliche Bestellung eines gebrauchten Kraftfahrzeugs bei einem Vermittler“ wurde als Verkäufer lediglich eine Kundennummer aus der Kundenkartei des Vermittlers angegeben. Der Vermittler hatte offengelegt, dass es sich bei dem Fahrzeug um ein „Original US-Fahrzeug“ mit „repariertem Unfallschaden in den USA“ mit „ursprünglichem Salvage-Title“ handelt. Der „Salvage-Title“ wird in den USA ausgefertigt, wenn ein Fahrzeug beschädigt und/oder von einer Versicherungsgesellschaft als Totalschaden eingestuft wurde. Was der Käufer nicht wusste, war, dass das in den USA verunfallte Fahrzeug nach Litauen importiert und dort repariert worden war. Erst anschließend wurde es nach Deutschland überführt. In der Zulassungsbescheinigung Teil II (ZB II) war bei Übergabe des Fahrzeugs an den Käufer ein Halter mit Wohnsitz in Deutschland eingetragen. Erst später erfuhr der Käufer, dass er das Fahrzeug von einer in Litauen ansässigen Person erworben hatte.
Im Mai 2017 „platzte“ der vordere Stoßdämpfer des Fahrzeugs. Da die vom Käufer abgeschlossene Garantieversicherung dies als Folge des Unfalls wertete, lehnte sie die Übernahme der Reparaturkosten ab. Im August 2018 wurde der Käufer sodann von der Stadtverwaltung aufgefordert, die Airbags überprüfen zu lassen und einen Nachweis über deren Funktionsfähigkeit vorzulegen. Begründet wurde dies mit Ermittlungen, die ergeben hätten, dass die bei aus den USA importierten Unfallfahrzeugen ausgelösten Airbags oftmals nicht ordnungsgemäß ersetzt worden seien. Eine Überprüfung des Chrysler in einer Fachwerkstatt bestätigte diesen Verdacht, weshalb der Käufer die Airbags instand setzen ließ. Nachdem der Käufer im April 2019 erfolglos Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Vermittler geltend gemacht und die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung erklärt hatte, verlangte er vom Vermittler Schadenersatz.
Aus den Entscheidungsgründen des OLG Koblenz ergibt sich folgendes:

1. Auch wenn zwischen dem Käufer und dem Vermittler eines Kaufvertrages selbst kein Kaufvertrag zustande kommt, kann zwischen diesen ein Schuldverhältnis entstehen, das den Vermittler zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Käufers verpflichtet, wenn der Vermittler in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.

2. Ein Kfz-Händler haftet als Vermittler eines Kaufvertrages, wenn der (geschädigte) Käufer ihm ein besonderes, über die normale Verhandlungsloyalität hinausgehendes Vertrauen entgegengebracht und erwartet hat, darin rechtlichen Schutz zu genießen. Bei der Beurteilung dieser Frage kommt dem Umstand, dass der Vermittler die gesamten Vertragsverhandlungen bis zum Abschluss des Kaufvertrages im Rahmen seiner Tätigkeit als Kfz-Händler allein geführt hat, während der Käufer zu dem eigentlichen Verkäufer keinen Kontakt hatte, wesentliche Bedeutung zu.

3. Bei Vertragsverhandlungen besteht für jeden Vertragspartner grundsätzlich die Pflicht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck (des anderen) vereiteln können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten kann.

4. Ein die Aufklärungspflicht auslösender Umstand liegt bereits vor, wenn der Eigentümer/Verkäufer des Fahrzeugs nicht in der ZB II als Halter eingetragen ist.
Hat der Verkäufer das Fahrzeug kurze Zeit vor dem Weiterverkauf selbst von einer dritten Person erworben, liegt der Verdacht nahe, dass es während der Besitzzeit des Voreigentümers zu Manipulationen am Kilometerzähler oder einer sonstigen unsachgemäßen Behandlung des Fahrzeugs gekommen ist.
Dadurch
wird die Verlässlichkeit der Angaben des Vermittlers zum Fahrzeug grundlegend entwertet.

5. Das gilt erst recht, wenn der Käufer nicht wusste, dass der Eigentümer/Verkäufer außerdem nicht über einen deutschen Wohnsitz verfügt.
In diesem Falle ist eine etwaige (gerichtliche) Durchsetzung von Ansprüchen aus dem Kaufvertrag nämlich mit erheblichen Risiken für den Käufer verbunden.

6. Der Umstand, dass dem Käufer bekannt war, dass es sich bei dem Kaufgegenstand um ein aus den USA importiertes Unfallfahrzeug handelte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Im Gegenteil: Gerade bei einem solchen Fahrzeug ist die Fahrzeughistorie, insbesondere die Eigentumsfrage, für den Kaufentschluss von entscheidender Bedeutung, um beurteilen zu können, wo der Unfallschaden unter Einhaltung welcher Qualitätsstandards repariert worden ist.

7. Die Pflichtverletzung muss außerdem ursächlich für den vom Käufer geltend gemachten Schaden gewesen sein.
– Der Schaden besteht darin, dass der Käufer den für ihn nachteiligen Kaufvertrag abgeschlossen hat.
– Zwar müsste eigentlich der Käufer beweisen, dass er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätte, wenn der Vermittler ihn ordnungsgemäß aufgeklärt hätte, in der Rechtsprechung zum Kaufvertragsrecht gilt allerdings der Grundsatz, dass derjenige, der eine vertragliche Aufklärungs- oder Beratungspflicht verletzt hat, das Risiko der Unaufklärbarkeit dieses Ursachenzusammenhangs zu tragen hat.
– Gibt der Käufer an, dass er von dem Kauf Abstand genommen hätte, wenn er gewusst hätte, dass der Verkäufer in Litauen sitzt, weil er im Zusammenhang mit dem Handel von Gebrauchtwagen aus Litauen schon oft von „Abzockerei“ gehört habe, so stellt dies, angesichts der vielfältigen Presseberichterstattung über in Osteuropa notdürftig aufgehübschte und restaurierte Unfallfahrzeuge aus den USA, eine glaubhafte Aussage dar.
– Die fehlende Kausalität der Pflichtverletzung ergibt sich nicht daraus, dass der Käufer sich später bereit erklärt, das Fahrzeug gegen Zahlung eines Geldbetrages zu behalten. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beantwortung der Frage, ob der Käufer den Kaufvertrag auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung durch den Vermittler geschlossen hätte, ist nämlich der Zeitpunkt, in dem der Kaufvertrag abgeschlossen wurde.