Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 22. März 2024 dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses beim WachstumchancenG zugestimmt. Bis zuletzt war es unklar, ob eine Mehrheit der Länder dem Gesetzentwurf seine Zustimmung erteilt. Insbesondere durch eine politische Verknüpfung des Gesetzes mit der Streichung der Steuerbefreiung für Agrardiesel im Haushaltsfinanzierungsgesetz 2024 blieb es spannend. Durch Vorschläge zur Entlastung der Landwirtschaft, die in den kommenden Monaten weiter beraten werden, konnte der Bund den Widerstand der Länder überwinden. Auch das Haushaltsfinanzierungsgesetz 2024 passierte daher die Länderkammer.
Die jetzt vom Bundesrat beschlossene Fassung des WachstumchancenG sieht (teils befristetet) Steuerentlastungen in Höhe von 3 Mrd. Euro pro Jahr vor. Damit fallen diese deutlich geringer als im ursprünglichen Gesetzentwurf aus, der Entlastungen von rund 7 Mrd. Euro vorsah. Nach Berechnungen des IW Köln löst das WachstumchancenG in der verabschiedeten Fassung nur geringe positive Effekte aus: Bis zum Ende des Jahrzehnts dürften die Investitionen real insgesamt um sechs Mrd. Euro höher ausfallen. Dies entspricht 1,5 Prozent der Investitionen im Jahr 2023.
In Anbetracht der wirtschaftlich schwierigen Lage in der Bundesrepublik ist das Gesetz nicht ausreichend. Neben dem Abbau von Bürokratie sind weitere Anreize für Investitionen und steuerliche Entlastungen für Unternehmen dringend angezeigt. Das WachstumchancenG kann daher allenfalls als positives Signal für die Unternehmen verstanden werden, dass die Politik die Handlungsnotwendigkeit erkannt hat und erste kleine Schritte in die richtige Richtung gemacht wurden. Nachfolgend geben wir Ihnen einen Überblick über die nun beschlossenen Regeln im Wachstumchancengesetz mit Relevanz für das Handwerk.
Einkommensteuer/Körperschaftsteuer
Zeitweise Erhöhung des Verlustvortrags
Aktuell ist gemäß § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG ein Verlustvortrag bis zu einem Sockelbetrag von 1 Mio. Euro (Verdoppelung bei Zusammenveranlagung) unbegrenzt möglich, darüber hinaus nur bis 60 Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte des Verlustvortragsjahres. Zeitlich begrenzt wird der über dem Sockelbetrag liegende Verlustvortrag für die Veranlagungszeiträume 2024 bis 2027 auf 70 Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte des Verlustvortragsjahres erhöht. Diese Neureglung gilt auch für die Körperschaftsteuer nach §§ 8 Abs. 1, 31 Abs. 1 Satz 1 KStG. Eine entsprechende Änderung in der Gewerbesteuer (§ 10a GewStG) ist entgegen dem ursprünglichen Entwurf der Bundesregierung nicht mehr enthalten.
Neuregelungen bei der Thesaurierungsbegünstigung
Die Regelung der Thesaurierungsbegünstigung (§ 34a EStG) wird im Vergleich zu den vorher angedachten Verbesserungen nur im geringen Umfang geändert. Durch die Einbeziehung der Ertragsteuern in die Thesaurierungsbegünstigung kommt es zu einer Ausweitung des Thesaurierungsvolumens. Damit wird zwar eine Verringerung der Belastungsunterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften erreicht – allerdings wird das Ziel einer mittelstandsfreundlicheren Ausgestaltung der Norm nur in Ansätzen erreicht. Gleichzeitig werden diverse nachversteuerungsauslösende Tatbestände zur Verhinderung von Gestaltungsmissbrauch in § 34a Abs. 6 und 7 EStG ergänzt. Die Neuregelungen sind erstmalig für den Veranlagungszeitraum 2024 anzuwenden.
Erhöhung der Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG
Künftig können, soweit die weiteren Voraussetzungen des § 7g Abs. 6 EStG gegeben sind, im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den vier folgenden Wirtschaftsjahren erhöhte Abschreibungen bis zu insgesamt 40 Prozent neben den regulären Abschreibungen nach § 7 Abs. 1 und 2 EStG vorgenommen werden. Damit verdoppelt sich die Abschreibungshöhe. Die Neuregelung gilt für Wirtschaftsgüter, die nach dem 31. Dezember 2023 angeschafft oder hergestellt worden sind (§ 7g Abs. 5 EStG i. V. m. § 52 Abs. 16 Satz 6 EStG).
Wiedereinführung einer degressiven AfA auf bewegliche Wirtschafsgüter
Für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens kann gem. § 7 Abs. 2 EStG statt der linearen Abschreibung auch eine degressive Abschreibung vorgenommen werden. Der zukünftig anzuwendende Prozentsatz darf maximal das 2-fache des linearen jeweiligen AfA-Satzes betragen und darf 20 Prozent nicht überschreiten. Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung sind wie bisher ausgeschlossen. Diese Regelung gilt für bewegliche Wirtschaftsgüter, die nach dem 31. März 2024 und vor dem 1. Januar 2025 angeschafft oder hergestellt werden. Zu beachten ist, dass für bewegliche Wirtschaftsgüter, die nach dem 31. Dezember 2022 und vor dem 1. April 2024 angeschafft oder hergestellt wurden, keine degressive AfA vorgenommen werden kann.
Änderungen bei der privaten Kfz-Nutzung und Dienstwagenbesteuerung
Für reine Elektrofahrzeuge (inkl. Brennstoffzellenfahrzeuge) erfolgt im Rahmen der 1-Prozent-Regelung eine Erhöhung der für die Anwendung von nur einem Viertel der 1-Prozent-Bemessungsgrundlage erforderlichen Grenze des Brutto-Listenpreises von aktuell 60.000 Euro auf 70.000 Euro. Die Anschaffung muss nach dem 31. Dezember 2023 und vor dem 1. Januar 2031 erfolgen. Ebenfalls wird die Höchstgrenze bei der Anwendung der Fahrtenbuchmethode erhöht (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Nr. 3 und Satz 3 Nr. 3 EStG, § 52 Abs. 12 Satz 5 EStG). Die Änderungen gelten entsprechend bei der Überlassung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs an Arbeitnehmer (§ 8 Abs. 2 Satz 2, 3 und 5 EStG).
Pauschalbesteuerung von Gruppenunfallversicherungsbeiträgen
Ab dem Veranlagungszeitraum 2024 können Arbeitgeber Beiträge für eine Gruppen- Unfallversicherung pauschal mit 20 Prozent versteuern (§ 40b Abs. 3 EStG). Der bisherige Grenzbetrag von 100 Euro wird gestrichen.
Anhebung der Grenze des Betriebsausgabenabzugs für Geschenke
Die für den Betriebsausgabenabzug maßgebliche Grenze für Geschenke gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG wird von bisher 35 Euro auf 50 Euro erhöht.
Anpassung bei der Rentenbesteuerung
Der Anstieg bei der Besteuerung der Rente ab 2023 wird reduziert, so dass die volle Steuerpflicht erst im Jahr 2058 eintreten wird. Dies erfolgt durch Anpassungen der Regelungen § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a, Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG (Renten), § 19 Abs. 2 Satz 3 EStG (Versorgungsbezüge) sowie § 24a Satz 5 EStG (Altersentlastungsbetrag). Diese Anpassung soll einen ersten Schritt darstellen, denn eine weitere Änderung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, welche auch Bestandsrenten einbeziehen soll, ist bereits angekündigt worden.
Körperschaftsteuer: Anpassung des Optionsmodells
Die Option zur Körperschaftsteuer gem. § 1a KStG wird ab dem Veranlagungszeitraum 2024 auch für eingetragene GbRs ermöglicht. Zudem erfolgen weitere Änderungen im Zusammenhang mit Neugründungen (§ § 1a Abs. 1 Satz 7 Nr. 1 und 2 KStG), der Einbringung der Beteiligung an der Komplementärin (§ 1a Abs. 2 Satz 2, Halbsatz 2 KStG) sowie in Bezug auf die Ausschüttungsfiktion (§ 1a Abs. 3 Satz 5 KStG).
Gewerbesteuer
Erhöhung der Unschädlichkeitsgrenze im Rahmen der erweiterten gewerbesteuerlichen Grundstückskürzung für Einnahmen aus dem Betrieb von EEG-Anlagen und Ladestationen
Erzielt ein Betrieb neben seinen Einnahmen aus der Verwaltung eigenen Grundbesitzes auch bestimmte Einnahmen aus der Lieferung von Strom, kann die erweiterte Grundstückskürzung zukünftig weiter in Anspruch genommen werden, wenn die Einnahmen aus den Stromlieferungen nicht höher als 20 Prozent (bisher 10 Prozent) der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes sind (§ 9 Nr. 1 Satz 3
Buchst. b GewStG).
Dies betrifft die Einnahmen aus der Lieferung von Strom im Zusammenhang mit dem Betrieb von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien i. S. d. § 3 Nr. 21 EEG oder aus dem Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge oder Elektro-fahrräder. Die Neuregelung greift erstmals rückwirkend für den Erhebungszeitraum 2023 (§ 36 Abs. 4b GewStG).
Umsatzsteuer
Einführung der verpflichtenden E-Rechnung
Ab dem 1. Januar 2025 wird stufenweise die verpflichtende elektronische Rechnung (E-Rechnung) für Umsätze zwischen inländischen Unternehmen eingeführt. Diese Verpflichtung gilt auch für den unternehmerischen Bereich von Handwerkskammern, Fachverbänden, Innungen und Kreishandwerkerschaften.
Es gelten die folgenden Verpflichtungen zeitlich gestaffelt:
Ab dem 1. Januar 2025: verpflichtende Empfangsbereitschaft aller Unternehmen für E-Rechnungen.
Ab dem 1. Januar 2027: verpflichtende Ausstellung von E-Rechnungen durch Unternehmen mit einem Vorjahres-Gesamtumsatz von über 800.000 Euro.
Ab dem 1. Januar 2028: Verpflichtende Ausstellung von E-Rechnungen durch alle Unternehmen mit einem Vorjahres-Gesamtumsatz von nicht mehr als 800.000 Euro.
Die Verpflichtung gilt nur für Umsätze, die nicht nach § 4 Nr. 8 bis 29 UStG steuerbefreit sind. Die Verpflichtung gilt auch nicht für Kleinbetragsrechnungen (§ 33 UStDV) und Rechnungen über Fahrausweise (§ 34 UStDV).
Die E-Rechnung muss der europäischen CEN-Norm EN 16931 entsprechen. Derzeit erfüllen in Deutschland nur die XRechnung und das ZUGFeRD-Format diese Anforderungen. Bis zum 31. Dezember 2027 können die Vertragspartner einvernehmlich auch Rechnungen in einem anderen E-Rechnungsformat ausstellen, wenn dieses die richtige und vollständige Extraktion der erforderlichen Angaben gemäß der EU-Richtlinie 2014/55/EU ermöglicht oder mit dieser interoperabel ist. Hierdurch soll die Übermittlung von Rechnungen mittels elektronischem Datenaustausch (EDI) weiterhin möglich sein.
Sogenannte sonstige Rechnungen, wie Papierrechnungen und PDF-Rechnungen, können zwischen inländischen Unternehmen im Rahmen der o. a. Übergangsregelungen bis 31. Dezember 2027 weiterhin ausgestellt werden. Bei sonstigen elektronischen Rechnungen – nicht bei Papierrechnungen – ist in diesen Fällen die Zustimmung des Empfängers erforderlich.
• Erhöhung der Schwelle für die umsatzsteuerliche Ist-Versteuerung auf 800.000 Euro ab 1. Januar 2024
• Befreiung der Kleinunternehmer von der Pflicht zur Abgabe einer Umsatzsteuer- Jahreserklärung für Zeiträume ab 1. Januar 2024
• Erhöhung des Schwellenwertes für die Befreiung von der Abgabe einer Umsatzsteuer-Voranmeldung von 1.000 Euro auf 2.000 Euro ab 1. Januar 2024
Abgabenordnung
Anhebung des Schwellenwertes für die Buchführungspflichten gewerblicher Unternehmer nach § 141 AO
Die für die Buchführungsverpflichtung maßgebliche Grenze wird für gewerbliche Unternehmer von bisher mehr als 600.000 EUR Gesamtumsatz im Kalenderjahr pro Betrieb auf 800.000 EUR erhöht. Eine Buchführungspflicht entsteht auch ab einem Gewinn i. H. v. 60.000 EUR. Diese Betragsgrenze wird auf 80.000 EUR angehoben. Die Neuregelung kommt für Wirtschaftsjahre nach dem 31. Dezember 2023 zur Anwendung.