Die Zeiten ändern sich: „Special Tankstellen“ hieß das Sonderheft bisher, mit dem der Energie Informationsdienst (EID) traditionell im März die von ihm erhobenen Tankstellenzahlen zum Stichtag 1. Januar veröffentlicht. „Special tanken & laden“ heißt die aktuelle Ausgabe erstmals, und die Themen Ladesäulen, Ladeinfrastruktur und auch die geplante Pflicht zur Installation von Ultraschnell-Ladesäulen an Tankstellen werden ausführlich behandelt. Bezeichnenderweise ist die erste Interviewpartnerin in dieser Ausgabe Cathrin Lind, Vice President Operations von EnBW mobility+, die, wahrscheinlich ohne es zu wollen, die Widersinnigkeit einer gesetzlichen Verpflichtung zum Aufbau einer Schnellladeinfrastruktur an Tankstellen wie folgt zusammenfasst: „Die Mineralölwirtschaft kann Ladesäulen im ersten Schritt ja letztlich nur dort errichten, wo sie bereits Tankstellen betreibt und oft passen die Standorte der Stationen und das Mittelspannungsnetz nicht zusammen. Da haben wir als EnBW natürlich einen gewissen Vorteil, weil wir die Standorte auf einer weißen Karte planen können und bestenfalls dort errichten, wo der erforderliche Netzanschluss bereits vorhanden ist.“ Und, um das Zitat zu ergänzen, wo die Auflagen bezüglich Flächennutzungen (Parkplätze) oder Lärmschutzauflagen geringer sind als an mancher bestehenden Tankstelle.
Angesichts dieser künftigen Herausforderungen, aber auch der Probleme in den letzten Jahren, angefangen mit der Corona-Pandemie, dem Ukraine-Krieg, der gestiegenen Inflation und der schwächelnden Konjunktur ist es erstaunlich, wie stabil die Bestandszahlen im deutschen Tankstellennetz weiter sind. Mit 14.084 Straßentankstellen existieren netto lediglich neun Stationen weniger als vor einem Jahr und lediglich 15 weniger als vor fünf Jahren.
Zu dieser Stabilität trugen im letzten Jahr zumindest für die meisten Gesellschaften auch die immer noch auskömmlichen Kraftstoffmargen bei, die zwar unter denen des Jahres 2022 lagen, aber immer noch weit höher als in den Jahren davor. Sie sind auch notwendig, denn das Kostenniveau einer Tankstelle ist seit dieser Zeit ebenso gestiegen und auch wenn alle beim EID zitierten Gesellschaftsvertreter betonen, wie sehr das weiterhin erfreuliche Shopgeschäft zu einem guten Ergebnis 2023 beigetragen hat: Es sind immer noch die Kraftstofferlöse, die überwiegend die Existenz des Tankstellennetzes sichern, vor allem in einem Jahr wie 2023, in dem das ertragreiche Waschgeschäft im wahrsten Sinne des Wortes häufig ins Wasser fiel. Auch die abgesetzten Mengen dürften nach bisher bekannt gewordenen Zahlen stabil gewesen sein, denn einem gesunkenen Dieselabsatz stand ein im ungefähr gleichen Maß gestiegenen Absatz von Ottokraftstoff gegenüber.
Beim vom EID ermittelten Tankstellenbestand zum 1.1.2023 mit 14.442 (14.084 Straßen- und 358 Autobahnstationen) Tankstellen in Deutschland muss man wie jedes Jahr berücksichtigen, dass hinter der Zahl im Laufe des Jahres viel Bewegung stand. Zwei Netze (TotalEnergies und OIL!) sind an komplett neue Marktteilnehmer verkauft worden, Mittelständler übernehmen kleinere Stationen von den großen Gesellschaften, Eigentümerstationen wechseln nach Vertragsablauf die Marke, die großen Gesellschaften errichten an neuen Standorten neue Stationen und an wiederum anderen Stellen werden Stationen endgültig geschlossen. Die Automatenstationen werden mehr, und zwar in einem solchen Ausmaß, dass der EID in diesem Jahr erstmals bei den Tankstellengesellschaften die Zahl der unbemannten Automatenstationen erhoben hat. Bezogen auf die Gesamtzahl der jeweils gemeldeten Tankstellen wurde daraus eine Automatisierungsquote je Tankstellenmarke ermittelt. Das Ergebnis lässt sich in einer der beiliegenden Tabellen ablesen: BayWa, Raiffeisen, Calpam, team energie und AVIA, also vor allem die im ländlichen Raum aktiven Gesellschaften, weisen die höchsten Automatisierungsquoten auf.
Zu den einzelnen Netzen:
– BP hat unter der Aral-Marke mit 2.254 Straßentankstellen weiterhin das größte Netz, netto zwölf Stationen weniger als zu Jahresbeginn 2023. Die Umstellung der Pachtstationen auf das Agenturgeschäft im Shop ist abgeschlossen, an 900 Stationen gibt es REWE-to-Go Shops und das Ladenetz von Aral Pulse sei inzwischen auf 2.000 Ladepunkte an 300 Standorten (die nicht alle an Tankstellen sind) angewachsen. Bis 2030 will Aral 20.000 Ladepunkte betreiben – völlig unabhängig von einer gesetzlichen Verpflichtung.
– Die Zahl der Shell-Tankstellen (einschließlich der unter bft-Zeichen betriebenen Rheinland-Kraftstoff-Stationen) liegt mit 1.936 um elf unter dem Vorjahreswert. An 320 der-Stationen sind Ladesäulen installiert, an 35 Shell-Standorten wird LNG angeboten.
– TotalEnergies steht weiterhin an den Stationen, deren Eigentümer jetzt Couche-Tard Deutschland GmbH & Co. KG heißt, allerdings an sieben weniger als noch vor einem Jahr. Von den 1.150 Tankstellen verfügen bisher erst 56 über Ladesäulen.
– Unter das Esso-Netz zählt der EID am 1.1.2024 920 Tankstellen, netto nochmals 13 weniger als vor einem Jahr. Wiederum hat das Esso-Netz einige Stationseigentümer verloren, die ihren Vertrag mit der EG-Group bzw. deren deutscher Tochter Echo Tankstellen GmbH nicht verlängerten. Erst seit November 2023 ist klar, dass ab diesem Jahr auch die OMV-Tankstellen, welche von EG übernommen wurden, auf Esso umgeflaggt werden sollen.
– JET betreibt 811 Tankstellen, netto vier weniger als vor einem Jahr. In die Zahl gehen wie in den Vorjahren auch die zur Firma gehörenden, aber nicht mit dem JET-Logo gekennzeichneten, weißen Stationen ein.
– Bei den übrigen Marken gab es kaum eine größere zahlenmäßige Veränderung. Das Avia-Netz wuchs nochmals gegenüber dem Vorjahr um 11 auf 908 Straßentankstellen. Die OMV-Stationen werden weiter mit 229 Tankstellen angegeben, wobei der EID daran selbst Zweifel äußert, da er seit der Übernahme des OMV-Netzes durch EG weder von EG noch von OMV aktuelle Daten erhält.
Der Bestand der Autobahntankstellen beträgt wie zur Jahresmitte 2023 wegen der beiden an der A45 in der Nähe der gesprengten Brücke bis 2028 geschlossenen Tankstellen nur 358. Bereits in der ersten Jahreshälfte 2023 hatte sich die Verteilung der Einlieferungsrechte stark geändert. Diese Veränderung verstärkte sich nochmals in der zweiten Jahreshälfte. Die Zahl der Stationen mit dem Esso-Zeichen sank so innerhalb eines Jahres von 53 auf nur noch 20, umgekehrt stieg die Zahl der ENI-BATs in der gleichen Zeit von zwölf auf 33.
Weiter rückläufig ist die Zahl der Autogasstationen. Allerdings hat sich das Schrumpfungstempo verlangsamt. Am 6. Februar 2024 zählte der DVFG noch 5.822 Autogastankstellen nach 5.898 im Dezember 2022.
Die Zahl der Erdgastankstellen ist sicherlich weiter gesunken. Allerdings bekommt der EID seit Dezember 2022 (damals noch 780 Stationen) keine genauen Zahlen mehr von der Zukunft Gas GmbH. Diese spricht jetzt auf ihrer Homepage von noch „rund 700 CNG-Tankstellen in Deutschland.“ Das Netz der LNG-Stationen, also für verflüssigtes Erdgas als alternativer Lkw-Antrieb, ist allerdings weiter gewachsen trotz der Preisproblematik im Jahr 2022. Allein die vom EID unter „eine Auswahl“ genannten Stationen summieren sich auf 2304, nach 142 im Vorjahr.
Auch die Zahl der Tankstellen mit AdBlue-Säulen ist weiter gewachsen. Die vom EID befragten Unternehmen halten nun mehr als 2.300 AdBlue-Zapfanlagen für Pkw und über 2.750 Anlagen für Lkw vor. Allerdings bietet die entsprechende Tabelle nur „eine Auswahl“, zum anderen enthält sie mit Sicherheit auch Doppelzählungen. Manche AdBlue-Säule ist eben sowohl für Pkw wie für Lkw geeignet.
Nach den Halbjahreszahlen 2023 veröffentlicht der EID zum zweiten Mal eine Tabelle über den Bestand der Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland. Die Entwicklung zeigt, dass der Markt für H2 eine Perspektive hauptsächlich im Schwerlastverkehr sieht. Daher ist die Zahl der Tankstellen mit der für LKW erforderlichen 350 bar-Druckstufe im letzten halben Jahr von 17 auf 66 Tankstellen gestiegen.
Erstmals enthält der Bericht auch eine Tabelle über Tankstelle mit Ladesäulen. Aral, Shell, Q1, Westfalen und team energie bieten bereits an mehr als 10 Prozent ihrer Tankstellen Lademöglichkeiten. Allerdings geht aus der Tabelle nicht hervor, wie viele dieser Ladepunkte über bereits die von der Bundesregierung geforderten mindestens 150 KW Ladeleistung verfügen.
Insgesamt zählt das Ladesäulenregister zum Jahresbeginn 2024 102.269 Ladesäulen. Nur 23.314 davon haben mindestens 50 KW, lediglich 12.522 mindestens 150 KW Leistung. Allerdings gehört zu den Zahlen des Ladesäulenregisters die folgende ernüchternde Erkenntnis: „Wie der EID erfahren hat, sind aber im Ladesäulenregister noch längst nicht alle Ladepunkte erfasst. Insbesondere dann, wenn Ladeinfrastruktur ohne staatliche Förderung errichtet wird oder die Betreiber die Ladepunkte gar nicht bzw. verspätet im Laderegister der Bundesnetzagentur anmelden, fehlen diese Ladepunkte im zentralen Register und können nicht erfasst werden.“
Für weitere Details beachten Sie bitte die Tabellen, welche auf www.kfz-bw.de/monatsdienst heruntergeladen werden können.