Die neueste Studie zum Servicemarkt 2030/2040, die die e-mobil BW jetzt unter fachlicher Begleitung unseres Verbandes herausgegeben hat, zeigt, dass die Branche vor einem tiefgreifenden Wandel steht – mit weitreichenden Auswirkungen auf Beschäftigung und Servicemarktpotentiale gerade freier Werkstätten. Das Autorenteam von ifa und Fraunhofer IAO haben dies eindrucksvoll herausgearbeitet.
Auch wenn bislang die Anzahl der freien Kfz-Servicebetriebe im Verhältnis zu den markengebundenen Betrieben gestiegen ist, sieht die Zukunft des freien Aftersales nicht ausschließlich rosig aus. Das Marktvolumen und die Anzahl der Betriebe werden signifikant sinken, die Beschäftigtenzahl ebenso. Wenn Betriebe langfristig weiter bestehen wollen, dann müssen sie jetzt Strategien entwickeln. Denn Freie Werkstätten müssen sich verstärkt auf neue Antriebsvarianten, verändertes Kunden- und Mobilitätsverhalten sowie Fachkräfte- und Auszubildendenmangel einstellen. Zudem erhalten Regelungen zum Zugang zu Fahrzeugdaten eine zunehmende Bedeutung für die Wettbewerbssituation im Markt.
Das sind zentrale Ergebnisse der am 21. September in der Zukunftswerkstatt 4.0 in Esslingen vorgestellten Studie unter dem Titel „Servicemarkt 2040: Perspektiven und Strategien für freie Werkstätten“.
Freie Servicebetriebe verlieren Marktanteil
Die Studie ermittelt einen Rückgang der freien Kfz-Betriebe bis 2030 um 20 Prozent und bis 2040 um 40 Prozent. Auch wird die Konkurrenz der markengebundenen und der freien Servicebetriebe untereinander steigen, was zum starken Preiswettbewerb führen wird. Gerade Hersteller und ihre markengebundenen Betriebe versuchen, die Fahrzeuge ihrer Kunden künftig länger an sich zu binden, dies durch Betreuung vernetzter und junger Gebrauchter, aber auch bspw. durch Batteriegarantien, Serviceangebote und Abos. Freie Werkstätten drohen so Kunden zu verlieren. Laut Studie werden sich viele unabhängige Betriebe auf einzelne Leistungen wie zum Beispiel Smart Repair, Glas oder Räder und Reifen konzentrieren.
Datenzugang bildet die Grundlage für neue Geschäftsfelder
Es ist zu erwarten, dass Hersteller künftig ihren Markt stärker abschotten. Durch die Ausgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen – Stichwort GVO und Data Act – wird maßgeblicher Einfluss auf die Möglichkeiten der freien Werkstätten ausgeübt, sich neue Geschäftsfelder zu erschließen, so die Studie. Wenn den freien Servicebetrieben der Zugang zu fahrzeuggenerierten Daten fehlt, wirkt sich das nachteilig auf ihre Wettbewerbsfähigkeit aus. Der Zugang zu Daten, Ressourcen und Funktionen von vernetzten Fahrzeugen ist für zukünftige Geschäftsfelder rund um die Mobilität unverzichtbar.
Technische Veränderungen und geänderte Mobilität
Neue Technologien, geändertes Kunden- und Mobilitätsverhalten und demografischer Wandel wirken sich immens auf das Werkstattgeschäft aus. Demnach wird die Abnahme der Wartungs- und Reparaturaufträge durch die wachsende Anzahl der E-Autos als auch durch die zu erwartende jährlich sinkende Kilometerleistung der Fahrzeuge zunehmen.
Steigende Löhne und verdoppelte Stundenverrechnungssätze
Während die Zahl der Beschäftigten in den Kfz-Betrieben und das Auftragsvolumen sinken, steigen die Lohnumsätze. Laut Studie werden die Werkstätten ihre Stundenverrechnungssätze bis 2030 um mehr als ein Drittel und bis 2040 um weitere 50 Prozent anheben, um die Investitionen in die Transformation der Betriebe abfedern zu können und wettbewerbsagil zu bleiben.
Mögliche Strategien und Marktstrukturen
Die Gutachter sehen vor allem die Führungskräfte der freien Werkstätten gefordert, Betriebe durch Rahmenbedingungen und eine längerfristige Strategieaufzustellung abzusichern. Insgesamt sehen die Gutachter den Servicemarkt auch künftig weiterhin als attraktiven Branchenzweig, in dem freie Werkstätten einen festen Platz einnehmen können. Wegen des technologischen Wandels hin zu neuen Antrieben sieht die Studie hier das größte Wachstumspotenzial innerhalb der kommenden Dekade.
Empfehlungen für Unternehmer
Um das Servicegeschäft von freien Werkstätten abzusichern, misst die Studie den Arbeitskräften und Auszubildenden die höchste Bedeutung bei: Mitarbeiter gilt es zu halten und neue zu finden. Werkstattprozesse und Kostenstrukturen sollten außerdem optimiert werden. Höhere Kundenzufriedenheit und -bindung spielen zudem eine tragende Rolle, weniger die Gewinnung von Neukunden.
Den Unternehmen bzw. den Geschäftsführern empfiehlt die Studie, bisherige Geschäftsfelder und Strategien zu hinterfragen, als wichtigsten Schritt jedoch, „die bevorstehende Transformation bewusst als Aufgabe anzunehmen, die strategischen Weichenstellungen einzuleiten und somit ein aktives Transformationsmanagement zu betreiben“.
Studie als Weckruf verstehen
Für Verbandspräsident Michael Ziegler bietet die Studie „nicht nur eine detaillierte Analyse des aktuellen Marktumfelds, sondern (ist) auch ein klarer Weckruf für unsere Branche. Sie zeigt unmissverständlich, dass der freie Servicemarkt vor entscheidenden Veränderungen steht. Der Zugang zu Daten und die Fähigkeit, diese effektiv zu nutzen, wird im Zentrum der zukünftigen Geschäftsmodelle stehen. Unsere Mitglieder müssen sich dieser Herausforderung rechtzeitig stellen und neue Kompetenzen aufbauen.“
Die Studie der E-mobil BW GmbH steht online kostenfrei zur Verfügung unter: https://www.e-mobilbw.de/service/publikationen